Ich verfolge ja staunend die ausufernde Diskussion über die Frage, wer jetzt genau die meisten Schritte vor seinen Toren macht, welche SchiedsrichterInnen grundsätzlich pro oder contra Heimmannschaft oder wahlweise auch Spitzenmannschaft pfeifen und ob das am Ende die Meisterschaft entschieden hat oder nicht. Ich maße mir auch gar nicht an, die jeweilige Leistung detailliert zu bewerten. Dafür sehe ich zu wenig Spiele auf höchstem Niveau. Ich gehe allerdings nach der alten Devise, dass ich niemand einen Vorwurf mache über Dinge, die ich in der dritten Zeitlupe erkannt habe (oder erkannt zu haben glaube). Zumal gerade bei den in meinen Augen eklatanten Regelverstößen - Tor Prandi z.B. - sofort Experten um die Ecke kommen, die mir erklären, warum das korrekt entschieden war.
Was ich sagen kann: Ausnahmslos alle Schiris, die ich persönlich kenne (von denen zugegebenermaßen keiner höher als Regionalliga pfeift/gepfiffen hat), sind immer mit der Absicht ins Spiel gegangen, ihre bestmögliche Leistung zu bringen. Wenn das nicht immer gelungen ist, waren diese Schiris meistens die ersten, die ihre Leistung auch selber kritisch beurteilt haben. Der Gedanke scheint mir absurd, dass das in den höheren Spielklassen anders sein soll.
Die oben erwähnte Schritte-Diskussion ist halt momentan ein heißes Thema, weil sich der moderne Handball stark in Richtung 1:1 Situationen (vulgo: Gerammel 😉) entwickelt hat. Ich erinnere mich, dass zu Zeiten eines Pascal Hens heftig diskutiert wurde, ob bei Körperkontakt beim Wurf aus dem Rückraum viel häufiger Stoßen in der Luft progressiv bestraft werden sollte, oder ob der gute Pascal als dünner „Pommes“ einfach nicht genug Körperlichkeit mitbringt, um sich da durchzusetzen. Aktuell scheint das angesichts der Maschinen, die überhaupt noch aus dem Rückraum werfen, kein Thema mehr zu sein. In absehbarer Zeit wird dann wahrscheinlich wieder eine andere Sau durchs Dorf getrieben.
Auf der anderen Seite eine Anekdote, wie die Schritte-Thematik an der Basis ankommt: Letztes WE, Relegationsspiel zur Landesliga Männer. Die Schiris pfeifen einen Gegenstoß wegen Schrittfehler ab. Meine C-Jugend spielende Tochter: „Hä? Was pfeifen die da?“ Ich: „War schon korrekt, das waren vier Schritte.“ Sie: „Schon klar, aber in der Bundesliga pfeift das niemand.“
Im Anschluss an das Spiel gab’s eine längere Diskussion, in der ich mir anhören durfte, dass ich (als ihr Trainer) mit meiner Art, den Durchbruch im 1:1 zu lehren - Nullschritt, zwei Schritte zur oder drei Schritte gegen die Hand (bzw. zwei Schritte bei Absprung vom falschen Bein) - offensichtlich nicht mehr auf der Höhe der Zeit sei.
Um meine etwas langen Ausführungen zusammenzufassen: Die Frage, ob Gisli oder Gidsel öfters ungeahndete Schrittfehler begehen, interessiert mich als Nichtfan der beiden Mannschaften echt nicht sonderlich. Aber dass schon bei Jugendspielerinnen der Eindruck entsteht, dass die Vorbilder aus dem Spitzenhandball in einer völlig anderen Regelwelt leben, finde ich eher fatal. S wäre schön, wenn wir da wieder zu einer einheitlicheren Regelauslegung kommen könnten. Die aktuelle Anpassung der Schritteregel finde ich da allerdings eher kontraproduktiv.