Erst mal Tach, Hans Richard und willkommen in der HE. Du wirst hoffentlich feststellen, dass es hier noch viele weitere interessante Themen gibt, nicht nur die "Causa A. Fuhr".
"Generell ist im Sport die Wortwahl sicher oft gröber als im normalen Alltagsgeschehen, häufig nicht druckreif. Es geht aber nie um persönliche Beleidigungen, sondern geschieht im Eifer des Gefechts und der Emotion." Das ist ein Satz aus dem mittleren 20. Jahrhundert und sollte den Kommunikations-Verantwortlichen um die Ohren gehauen werden. Er legitimiert Respektlosigkeit gegenüber und Erniedrigung von Frauen. Auch "im Eifer des Gefechts" dürfen Führungskräfte wie Trainer nicht mal ansatzweise beleidigend auftreten. Wer das nicht kapiert, wer diesbezüglich seine Emotionen nicht im Griff hat, hat auf einer Trainerbank nichts mehr verloren.
Ich hab mal die gleiche Textstelle ausgesucht wie mein Vorredner. Warum? Weil mir dieser Satz genau so sauer aufgestoßen ist wie dir. Das wurde und wird ja so oder so ähnlich häufiger angeführt, um verbale Entgleisungen im Sport ein Stück weit zu rechtfertigen. Wenn damit gemeint ist, dass man in der Hitze des Gefechts nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen darf - ok. Wenn damit gemeint ist, dass es dem Sport alle Emotionen nimmt, wenn ich auch auf der Bank jeden Satz von einem Kommunikationsanwalt absegnen lassen muss - kann ich auch mit. Aber ich bin voll und ganz bei dir, wenn du den Verweis auf die besondere Drucksituation als "Legitimation für Respektlosgkeit und Erniedrigung" empfindest.
Ich bin seit mehr als 30 Jahren Trainer, nicht im Leistungshandball, aber im weiblichen Bereich in allen Altersklassen von den Minis bis zu den Frauen. Ich kommuniziere unter Druck, also in erster Linie während des Spiels, auch anders als entspannt und reflektiert im Training. Ich bin auch nicht immer sachlich in meiner Wortwahl, ich habe vor allem eine völlig andere Lautstärke - soll heißen, ich brülle mir auch mal die Seele aus dem Leib - und ich hab auch schon meine Wasserflasche hinter die Bank gepfeffert.
Kleiner Exkurs: Ich finde, das gehört auch ein Stück weit dazu. Teilweise, weil ich den Ärger raus lassen muss, um nicht daran zu ersticken. Teilweise, weil ich nicht als Eisklotz rumstehen kann, wenn ich meinen Mädels Leidenschaft und eine 100%-Einstellung vermitteln will. Aber auch das hat Grenzen. Zwei Beispiele: Ich muss als Trainer erkennen, ob ich es mit Verunsicherung oder mit Lustlosigkeit zu tun habe. Erfordert eine völlig unterschiedliche Kommunikation. Oder ich muss in der Kommunikation mit dem Schiedsrichter jederzeit bedenken, ob ich gerade meiner Mannschaft helfe oder ihr schade. Das ist eine Professionalität, die ich von den hauptamtlichen Kollegen noch viel stärker einfordern kann.
Aber, und jetzt kommt´s: Nie, nie, nie kämen mir Begriffe wie "fett" über die Lippen, um den Körper einer Spielerin zu beschreiben. Meine Mädels werfen auch keine "schwulen" Bälle, obwohl ich sicher in jedem Spiel und in jedem Training mit dem einer Menge erbärmlicher Zuspiele oder Würfe leben muss. (Immer vorausgesetzt, dass die Zitate aus dem Spiegel-Artikel stimmen.) Das ist ein Mindestmaß an Respekt gegenüber den Menschen, mit denen ich es zu tun habe, das ich mir auch nicht mit noch so viel Verweisen auf die manchmal etwas rauhere Luft im Leistungssport wegdiskutieren lasse.
Niemand ist gezwungen, im weiblichen Bereich zu arbeiten. Aber wer das tut, sollte wissen, wie heikel manche Themen hier sind, gerade bei jungen Spielerinnen. Wer das nicht drauf hat, ist schlicht fehl am Platz.
Ich weiß, das ist nur ein Teilaspekt dieses Themas. Aber der Kollege hat mich angeregt, meinen Senf zu genau diesem Punkt beizutragen. Weil das in meinen Augen tatsächlich vor allem der Verharmlosung und Relativierung dient.