Beiträge von Martel Alt

    Vielleicht ist die strukturelle Diskussion tatsächlich, wie der Bergische Löwe geschrieben hat, zu kompliziert. Da sind Lösungen, wenn überhaupt, nur sehr langfristig möglich. Außerdem wurden diese Dinge schon an anderer Stelle in der HE wirklich ausführlich besprochen. Wenn man bei den rein sportlichen Aspekten bleibt, lohnt sich wiederum ein Seitenblick auf den Fußball. Da war zu Beginn der "neuen Ära" von einer veränderten Spielidee hin zum schnellen, vertikalen Spiel die Rede (oder so ähnlich). Klinsmann und Löw haben das für die NM so festgelegt und Spieler mit den entsprechenden Fähigkeiten bevorzugt nominiert- bis hin zum Torhüter Lehmann, dem eine bessere Spieleröffnung nachgesagt wurde als Oliver Kahn. Gibt es etwas Vergleichbares, das über das Schlagwort Tempospiel hinausgeht, auch im Handball? Gibt es für deutsche Auswahlmannschaften eine tragfähige Spielidee? Und damit meine ich nicht das berühmt-berüchtigte Buch mit den x Spielzügen, die angeblich jeder Nationalspieler auswendiglernen musste. Gibt es spieltaktische Kriterien, die auf die Ausbildung oder zumindest die Auswahl der Spieler zurückwirken? Wenn ja, schlägt sich das jedenfalls nicht in den Nominierungen für die NM nieder. Da sehe ich immer die gleichen "Verdächtigen", die mit wenigen Ausnahmen so gut oder so schlecht sind, wie sie immer waren. Und den gleichen "Stiefel" herunterspielen, den sie immer gespielt haben. Mit den zuletzt sichtbaren Folgen.

    An den Schulen liegt es m.E. nicht. Im Gegenteil: hier ist der Handball im Vergleich zu anderen "Randsportarten" eher überrepräsentiert.


    Was dringend verbessert werden muss, ist die Außendarstellung bzw. das, was man als "CSR" oder "Compliance" bezeichnen könnte. Die jüngsten Vorgänge um die unsägliche Wild Card und den HSVH haben sehr schlechte Imagewerte transportiert. Da ist größerer Schaden entstanden als durch das, na ja, mäßige sportliche Abschneiden der NM. Verantwortlich: die Spitzen von DHB und DHL. Hier herrscht auch nach der teilweisen Neubesetzung dringender Handlungsbedarf. Schwätzer (Twitterer) und Profilneurotiker müssen durch echte Macher ersetzt werden. Wo ist der Oliver Bierhoff des deutschen Handballs? Wo der Jürgen Klinsmann? Wo ein unpopulärer Funktionär wie Gerhard Mayer-Vorfelder, der die Abteilung Spitzensport des DFB gegen alle Widerstände völlig umgekrempelt hat?


    Im Bereich der Talentförderung bzw. dem Übergang ins Seniorenalter sehe ich, seit Jahren im Kern unverändert, zwei hauptsächliche Defizite. Mannschaftstaktisch wird noch immer auf "langatmige", komplizierte und wenig effektive Spielzüge gesetzt anstatt auf die Durchsetzungsfähigkeit im Zweikampf oder im Kleingruppenspiel. In der athletischen Ausbildung sind die körperlichen Nachteile der deutschen Spieler noch immer augenfällig. Bei uns regiert, auch im Rückraum, noch der "Spargeltarzan". Das ist bei allen international erfolgreichen Mannschaften ersichtlich anders. Und: die beiden Defizite haben natürlich miteinander zu tun. Wer körperlich zu schwach ist, muss zwangsläufig auf komplexes Kombinationsspiel setzen. Der Hebel ist hier wohl auch bei den Trainern anzusetzen, die ja in Auszeiten zumeist noch immer bestimmte Spielzüge fordern statt robuster Durchbrüche. Wie auch, wenn die Jungs Oberarme haben wie "Pommes"? Nomen est Omen. Das Modell Weinhold ist ein Schritt in die richtige Richtung, nur fehlen hier eben ein paar Zentimeter bzw. Kilo zur absoluten Weltspitze. Patrick Wiencek ist ein passener Prototyp - nach der "Behandlung" durch einen (isländischen!) Trainer.


    Ich könnte einige Beispiele von Spielern nennen, die in der Jugend bzw. bei den Junioren praktisch alles gewonnnen haben, was es international zu gewinnen gibt. Keiner konnte sich, trotz exzellenter spielerischer Fähigkeiten, in der HBL wirklich durchsetzen. Wenn ich die Jungs heute mit Ende Zwanzig sehe, haben sie sich bzgl. Körperbau seit der A-Jugend kaum verändert. Das kann in einem zunehmend von Kraft und Athletik geprägten Sport eigentlich nicht sein.

    Zitat

    Ich glaube wenn ich mein Feldhandballbuch fertig habe, höre ich mit der ganzen Handballsache auf.


    Hereticus et.al. Dem schließe ich mich an - was in meinem Fall nicht ganz so tragisch ist, da sich meine Beiträge hauptsächlich auf Sponsoring durch mein Unternehmen beschränkt haben. Der Spitzen(?)- bzw. Profi(?)- Handball ist heute für mich gestorben. R.I.P. Da ist eigentlich jedes Wort (und vor allem jeder Euro) zuviel. Meine Karte für das CL-FF 2015 verschenke ich an einen Freund mit einem besseren Magen und beschränke mich künftig auf den Besuch der Drittligaspiele hier am Ort - in der Hoffnung, dass die Truppe nie mehr weiter aufsteigt.

    OK, jetzt wird es aber wirklich übel. Ich kann dem gut brüllenden Löwen im Kern nur zustimmen. Diese Zustände können und dürfen nicht verharmlost, auf Details reduziert oder gar in einzelnen Punkten verteidigt werden. In letzter Konsequenz werden nicht nur Strukturen des halbprofessionellen Sports zerstört, sondern Lebensläufe. Dem muss Einhalt geboten werden. Aber wie? Das Wort "Moral" würde ich gerne meiden, aber was wir aus Hamburg hören, ist nicht nur der Abgesang auf den HSV Handball, sondern der Abgesang auf den ehrbaren hanseatischen Kaufmann.

    Gut, dass das Hickhack damit beendet ist - wenn es denn tatsächlich beendet ist und nicht aus HH noch etwas Dickes nachkommt, wie ja mancher der Forumsteilnehmer befürchtet. Für den HBW gilt damit wohl 'same procedure', nämlich Abstiegskampf pur.

    Wahrhaftig, ein grausiges Spiel, das erst besser wurde, als der Trainer in der Defensive zur Umstellung gezwungen wurde. Es gibt keine Alternative zu Lahm als Außenverteidiger, als Pirouettendreher im Mittelfeld ist er jedenfalls verschenkt. Mal sehen, ob der BT das bis zum nächsten Spiel auch so sieht.

    Diskussionsstoff geben Schiri-Leistungen immer. Allerdings beschlich mich gestern, vor dem Hintergrund der FIFA- Korruptionsdebatte, doch ein ziemlich ungutes Gefühl. Auf die gesehene Weise lässt sich praktisch jedes Spiel zum gewünschten Ergebnis steuern. Da muss man gar nicht so weit gehen, eindeutige Tore zu übersehen, wie es ja in verschiedenen Ballsportarten schon vorgekommen sein soll.

    Na ja, da habe ich aber schon wesentlich schlechtere Eröffnungsspiele gesehen. Über die Schiri-Leistung kann es kaum zwei Meinungen geben. Trotzdem gab es ein paar brasilianische Momente zum Zungeschnalzen. Das Tor von Oscar und auch einige seiner sonstigen Aktionen waren schon feinste Technik. Vor allem weiß der Knabe - im Gegensatz zu unseren Edeltechnikern - wo er das Runde reinhauen muss.

    Gehört zwar nicht zu 100% hierher, aber trotzdem: Peter Jungwirth kehrt nach sieben Jahren in der ersten und zweiten Liga (SCM, Wetzlar, Bittenfeld) zum SV Kornwestheim zurück. Vielleicht versammeln sich dort ja nach und nach die einstigen Deutschen B-Jugend-Meister (und Vizemeister in der A-Jugend) wieder. Ein Gunnar Dietrich z.B. würde gut in die Truppe der Eigengewächse passen :hi:

    Obwohl mir der absolute Vergleich fehlt: der TV Bittenfeld ist mit beiden Hallen m.E. sehr gut aufgestellt. Die Scharrena ist auch bei weniger Zuschauern ziemlich laut bzw. stimmungsvoll und die Porsche-Arena ist eine erstklassige Handballhalle.

    Yep, ich drifte noch ein bisschen mit ab. Das Final Four in Köln hat mich nämlich gerade auch beschäftigt. Vor dem Einlass musste man Taschen und Rucksäcke öffnen. Wer etwas Proviant dabei hatte, musste diesen in eine bereitstehende Mülltonne kloppen. Wer Hunger hat, muss in der Arena konsumieren. Bei Kartenpreisen von 180 oder 240 EUR. Ist das der "große" Handballsport jenseits des Turnhallenmiefs, den fast alle wollen? Familienkompatibel ist das definitiv nicht.


    BTT. Die Geschichte mit dem Weltunternehmen hört sich schon ein wenig nach Dolchstoßlegende an. Wenn's stimmen sollte, wäre es aber wirklich nicht mehr zu toppen.

    oko: Die "Regionaltheorie" ist für mich ebenso stimmig wie die Akzeptanz der Nische als durchaus attraktives Handlungsumfeld. Allerdings dürfte der Nährboden dafür hier im Südwesten eben fruchtbarer sein als anderswo, wo man, wie in den USA, eher dem Motto "think big" zuneigt. Was keine Wertung sein soll. Ein Event wie das Final Four in Köln weckt genauso Begeisterung wie traditionsbehaftete Handballschlachten zwischen "Dorfclubs". Wenn jeweils guter Sport geboten wird. Übrigens finde ich es gar nicht weiter schlimm, wenn Sport in einer Turnhalle stattfindet, aber naja, Nomen est Omen.

    Hereticus. Genau so ist es. Was Du für das Ruhrgebiet resp. Essen schilderst, entspricht ziemlich exakt der Lage in Stuttgart. Besonders interessant (und aus meiner Sicht zutreffend) ist die These, dass Handball vor allem dort gedeiht, wo der Fußball nicht den Rahm abschöpft. In Nischen also, die sich durchaus zu regionalen 'Clustern' erweitern können. Strukturell ähnlich, aber natürlich noch um Größenordnungen krasser, sieht es bei dem Sport aus, dem ich neben dem Handball anhänge. Siehe Avatar. Hier gibt es weiße Flächen auf der Deutschlandkarte, wo das Ringen inexistent ist - und es gibt Gegenden, da hat praktisch jedes Dorf (und das sind dann wirklich Dörfer!) eine hochklassige Mannschaft. Der amtierende Deutsche Mannschaftsmeister heißt ASV Nendingen und hat aktuell, neben internationalen Stars, den derzeit erfolgreichsten deutschen Ringer im Kader (Frank Stäbler, immerhin 3. bei der WM). Was ich damit sagen will: Auch in Nischen lässt sich auskömmlich leben und wirtschaften, das wurde weiter oben schon gesagt. Eine Nischenstrategie kann, abhängig von den verfügbaren Ressourcen, langfristig erfolgreich sein - die 'Hidden Champions' der deutschen Industrie machen es vor. Warum muss man immer mit den großen Wölfen heulen? Vor allem aber sind Nischenführer meist auch Qualitätsführer ihrer Branche. Ein anschauliches Beispiel ist die SG Flensburg-Handwitt aus dem Hanbball-Cluster Schleswig-Holstein.

    Die Diskussion um Spitzenhandball in der Großstadt ist beispielsweise in Stuttgart sehr alt. Die Zahl der gescheiterten Vereine reicht von Scharnhausen über Pfullingen bis Kornwestheim bzw. Ludwigsburg. Das im letztgenannten Fall gewählte Konstrukt scheiterte bereits im Ansatz: Insolvenz. Übrigens ist der SV Kornwestheim ein gutes Beispiel, wie man sich aus eigener Kraft, mit einer überragenden Jugendarbeit, aus der Landesliga (!) wieder in die 3. Liga hocharbeitet. Jetzt unternimmt der TV Bittenfeld einen neuen Anlauf Richtung Bundesliga - man spielt in Stuttgart, gibt aber den Dorfverein. Mal sehen, ob das klappt. Ich drücke dem TVB ebenso die Daumen wie der SG BBM, die einen ganz eigenen Weg geht. Und, btw, Balingen in der Tabelle hinter sich lassen wird :hi:


    Übrigens halte ich die von chruschtschow erwähnten Beispiele BBL und DEL nur sehr bedingt für nachahmenswert. Schon die Vereinsnamen in der BBL sind abschreckende Beispiele für missverstandenes Holzhammer-Marketing. Peinlich. Und die DEL? Man muss eigentlich nur noch darauf warten, dass die Vereine in einer Sonder-Ausscheidungsrunde nach dem Motto 'Best of 45' gegen sich selbst spielen. Beides kann man für den Handball nicht wirklich wollen.


    Übrigens war in den 1960er-Jahren mit dem SV Möhringen ein Stuttgarter Verein einige Zeit in der ersten Liga vertreten. Seither allerdings scheint neben dem VfB nichts mehr zu funktionieren. Noch zumindest.

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