Alles anzeigenDie Frage, die sich der THW doch stellen muss, ist, ob sie in Jicha einen Trainer sehen, der eine Mannschaft entwickeln kann. Melsungen steht doch nicht vor dem THW, weil sie Weltklasse verpflichten, sondern weil sie einen Trainer haben, der einen Plan hat, was er spielen will, der Spieler holt, die dazu passen und entsprechend etwas entwickelt. Das braucht auch Zeit. Parrondo ist jetzt in seiner vierten Saison dort, Wiegert hat auch sechs Jahr Anlauf gebraucht und auch Siewert ist schon fünf Jahre in Berlin. Bei allen gab es unterwegs auch genügend Zeiten, wo es von außen betrachtet, auch nicht gut lief. Aber man konnte immer sehen, was sie wollen. Beim THW weiß ich das nicht so richtig.
Die schwankenden Leistungen der Spieler kommen auch daher, dass die Spiele beim THW so laufen, dass die Spieler individuelle Lösungen gegen das finden müssen, was der Gegner in der Abwehr präsentiert. Je nachdem, wie das jedem einzelnen liegt und der jeweiligen Tagesform, gelingt das den Spielern mal besser und mal schlechter. Dieser Ansatz funktioniert nur zuverlässig, wenn man Spieler hat, die auch schon so viel gesehen haben an Gegnern und deren Abwehrverhalten, dass sie aus Erfahrung immer wissen, was zu machen ist.
Man kann von außen jetzt nicht in das Training gucken, was dort gemacht wird, wie dort an was gearbeitet wird, etc. In den öffentlichen Aussagen ist bei mir immer der Eindruck da, es ginge es nur um den Einzelnen, als wäre es nur eine Frage der individuellen Qualität und Mentalität. Die spielt natürlich immer eine Rolle, aber ich glaube Jicha ist hier etwas in der ehemaliger Weltklasse-Spieler-Falle. Er hatte eben Fähigkeiten, die es ihm erlaubt haben, bestimmte Dinge zu machen und nicht selten haben Spieler dieser Klasse, egal in welcher Sportart, dann als Trainer große Mühe zu verstehen, warum andere das nicht auch einfach machen. Also wäre es nur eine Frage der richtigen Einstellung. Also könnte jeder dahin kommen, wenn er nur wolle. Das ist zumindest mein Eindruck, wenn man ihm so zuhört.
Im Spiel fällt auf, dass im Gegensatz zu den zuvor genannte Trainern beim THW sehr wenig im Detail passiert. Das ist alles sehr oberflächlich. So wie Jicha gestern erzählt, dass sie sich am Ende nicht mehr getraut haben. Hat er Recht, aber warum haben sie das nicht? An der Stelle biegt Jicha immer in Richtung Mentalität, etc. ab. Aber man kann eben an der Stelle auch anders weiterdenken.
Die Spieler sollten jetzt also gegen eine defensive, große Abwehr, die überhaupt nicht darauf anspringt, dass jemand beim THW irgendwas antäuscht und sich so rauslocken lässt, irgendwo durch oder drüber werfen mit einem gut auflegten Torhüter dahinter. Und das nachdem das zuvor zu Fehlwurf, nach Fehlwurf geführt hat. War ja nicht nur, dass Simic gehalten hat, sondern es gingen auch einige Würfe drüber und vorbei.
Jetzt kann man natürlich hingehen und sagen: Egal, sie müssen die Mentalität haben, trotzdem weiter dasselbe zu probieren und die Dinger einfach treffen. Aber das kann doch nicht alles sein. Da muss doch beim THW auch der Anspruch an den Trainer ein anderer sein.
Da geht es auch gar nicht um eine reine Ergebnisbetrachtung. Es gibt in der Liga keine Garantie, Meister zu werden oder in die CL kommen. Und wenn man das nicht schafft, hat man noch lange keine schlechte Saison gespielt. Sofort alles immer in Frage zu stellen, weil es vlt. mal nicht für die CL oder den Meistertitel reicht, ist definitiv der falsche Weg. Aber man muss aufpassen nicht in die große Alibi-Masche zu verfallen, sich darauf auszuruhen.
Selbst die jüngeren Spieler beim THW haben vor dem THW schon CL in tragenden Rollen bei ihren Teams gespielt, wie Johansson und Madsen, sind Nationalspieler in wichtigen Rollen, die bei großen Turnieren dabei sind, wie auch Skipagøtu. Das sind doch keine Spieler aus dem Nachwuchs, die gerade ihre ersten Schritte machen. Alleine sowas anzubringen, muss doch bei den Verantwortlichen beim THW die Alarmglocken läuten lassen.
Noch dazu kommt, dass Szilágyi und Jicha Führungskräfte sind, die immer wieder Aussagen treffen, deren Unterton ist: Also an uns liegt es nicht. Vlt. wollen sie das gar nicht, vlt. wollen sie einfach den Druck von den Spielern nehmen, aber sie drücken sich immer wieder sehr, sehr unglücklich aus, weil sie nicht bei sich anfangen. Das Leben als Führungskraft ist manchmal auch durchaus ungerecht, weil man den Kopf hinhalten muss, für was, was man nicht selbst verbockt hat. Aber das ist der Preis für die Dinge, die man dafür bekommt. Und wenn man in so eine Führungsposition will und dann auch geht, muss man auch akzeptieren, was das mit sich bringt.
Zu sagen, dass Spieler (noch) nicht die Qualität haben oder (noch) nicht die Mentalität mag durchaus richtig sein, aber die guten Verantwortlichen schaffen es, dass sie sich (verbal) dafür so in die Verantwortung nehmen, dass man nicht hinterher denkt, dass die Spieler einfach (noch) zu schlecht sind.
Ich nehme mal an, dass Jicha seit der letzten Saison versucht die Situation positiv zu sehen. Dass er vlt. auch an eine Entwicklung der Spieler glaubt, dass sie individuell bessere Entscheidungen treffen, mental vlt. auch stabiler werden. Hier muss von außen die Entscheidung getroffen werden, ob das reicht. Ob einfach nur Geduld gefragt ist und sich die Spieler entsprechend so entwickeln werden, dass sie Weltklasse sind oder ob man nicht mehr erwartet von einem Trainer.
Vielen Dank.
Richtig gut und differenziert die meiner Meinung nach vorhandenen Probleme auf den Punkt gebracht.