Nordhorn blickt auf die letzten fünf Jahre zurück...

  • Eigentlich ganz treffend!


    Bestem Start folgen Negativ-Rekorde


    von frank hartlef und martin lüken


    fünf-Jahres-Bilanz HSG Nordhorn erreicht mit Rang zehn niedrigste Platzierung in der Bundesliga



    Die Bundesliga-Handballer der HSG Nordhorn haben die Saison 2003/2004 mit der schlechtesten sportlichen Bilanz seit Zugehörigkeit zur deutschen Eliteklasse abgeschlossen. Das Team von Trainer Ola Lindgren hatte mit viel Verletzungspech zu kämpfen.
    nordhorn – Die HSG Nordhorn startete in ihre fünfte Bundesliga-Spielzeit so gut wie noch nie: Doch nach einem furiosen Auftakt mit 10:0 Punkten ließen die Grafschafter im ersten Jahr unter Trainer Ola Lindgren viele Rekorde folgen, denen der Zusatz "Negativ" vorangestellt werden musste. Eine Ausnahme: Der Anteil verwandelter Siebenmeter war mit 70 Prozent (109 von 156) besser als in den beiden Spielzeiten zuvor. Am Ende stand somit statt der erhofften dritten Europacup-Qualifikation in Folge die schlechteste Platzierung seit dem Aufstieg 1999 unter Trainer Kent-Harry Andersson, der vor der Saison nach sechs Jahren in Nordhorn zur SG Flensburg-Handewitt gewechselt war.
    Fünf Siegen in den ersten fünf Saisonspielen ließ die HSG ebenso viele Partien ohne doppelten Punktgewinn folgen. So eine bisher nicht gekannte Negativserie wiederholte sich im Laufe der Saison noch zwei Mal. Und nachdem mit 31:30 gegen die HSG D/M Wetzlar einer von nur drei Siegen nach der EM-Pause gelungen war, setzte die HSG mit 1:15 Punkten aus den letzten acht Saisonspielen noch einmal eine neue Negativ-Marke. Dazu passt, dass die Niederlagen mit jeweils zehn Toren daheim gegen Hamburg (21:31) und in Pfullingen (29:39) als die höchsten ins Nordhorner Bundesliga-Geschichtsbuch eingingen.
    Mit mehr als 1000 Gegentoren kassierte die Abwehr, in den Jahren zuvor das Prunkstück der skandinavisch geprägten HSG, so viele wie noch nie in Liga eins. Im ersten Bundesliga-Jahr hatten die Grafschafter Ballwerfer nur 787 Gegentore hinnehmen müssen. Auch die Zahl von mehr als 300 Strafminuten überbietet deutlich den bisherigen Höchstwert aus der Spielzeit 2002/03 (256). Die meiste Zeit verbrachte Abwehrspezalist Robert Arrhenius nach Hinausstellungen auf der Spielerbank. Gegen den Schweden wurden 87. Strafminuten verhängt – zwölf mehr als gegen Ian Marko Fog in der Saison 2002/2003.
    Dass mit Ola Lindgren der Abwehrchef zum Trainer befördert wurde und damit einer der weltbesten Defensivstrategen auf dem Feld fehlte, war für die schlechte Saisonbilanz ebenso ausschlaggebend wie eine bei der HSG noch nie erlebte Verletzungsmisere. Dass Spielmacher Ljubomir Vranjes und auch der universell einsetzbare Frank Schumann in der nächsten Saison wieder dabei sind, gehört zu den Voraussetzungen dafür, in die Erfolgsspur zurückzukehren.
    Dass Lindgren und Manager Bernd Rigterink bei der Personalpolitik das glückliche Händchen der vorangegangenen Jahre abhanden gekommen war, mag ebenso zu den Ursachen für den unbefriedigenden Saisonverlauf zählen. Zwei von drei vor der Saison geholten Spielern wurden wieder aussortiert: Linksaußen Michael Hoffmann muss und Rückraumspieler Ljubomir Pavlovic soll trotz eines bis 2005 gültigen Vertrags gehen. Mit Ian Marko Fog wechselt der Kapitän zum VfL Gummersbach. Und auch der slowenische Vize-Europameister Bostjan Ficko, der nach der EM geholt wurde, um die personellen Lücken zu stopfen, spielt keine Rolle mehr.
    Eine Konstante im HSG-Team ist Rechtsaußen Jan Filip: Zwar erzielte der tschechische Nationalspieler mit 232 Treffern weniger Tore als in der vergangenen Saison, seine Ausbeute war damit aber immer noch höher als die der besten Nordhorner Torschützen in den ersten drei Bundesliga-Spielzeiten. Filip ist auch der beste Schütze bei Siebenmetern, er wandelte fast dreiviertel (73 von 100) aller Versuche von der Strafwurf-Markierung. Die Zahl der erzielten Treffer war mit 998 größer als in der Spielzeit 1999/2000 (877) und im Jahr der Vizemeisterschaft 2002 (983).
    Leicht gesunken ist auch der Zuschauerschnitt. Die Bestmarke bildet nach wie vor das erste Bundesliga-Jahr mit durchschnittlich 3678 Besuchern pro Spiel. Nach nahezu gleichen Werten in den Spielzeiten 2000/2001 (2904) und 2001/2002 (2906) passierten in der abgelaufenen Saison (2612) weniger Zuschauer die Tore des Euregiums als in der Spielzeit 2002/2003 (2735).
    Mit der Rückkehr von Torwart Jesper Larsson nach zwei Jahren bei TuSEM Essen und den bislang als Zugängen feststehenden Nationalspielern Matthias Franzén (Schweden) vom FC Barcelona sowie Piotr Przybecki (Polen) vom THW Kiel wollen die Nordhorner an frühere Erfolge anknüpfen.
    Dass es eine Saison war, in der außer von sportlichen Erfolgen auch von wirtschaftlichen Problemen keine Rede war. Kommentar von Manager Bernd Rigterink: "Lieber so, als anders herum."


    und hier noch das Interview mit Ola Lindgren


    "Ich bin auf jeden Fall stärker geworden"


    Nordhorn – Über die Gründe für die schlechteste Bundesliga-Platzierung der HSG Nordhorn seit dem Aufstieg 1999 und die Aussichten für die kommende Spielzeit sprach Trainer Ola Lindgren (Foto) mit GN-Redakteur Frank Hartlef.
    GN: Waren es wirklich nur die Verletzungen, die der HSG die Saison verhagelt haben?
    Lindgren: Es sind ja nicht die Verletzungen an sich. Es kommt auch darauf an, wer sich verletzt. Und bei uns waren vor allem erfahrene Führungsspieler betroffen wie Vranjes oder Larsson, die sehr lange ausgefallen sind.
    GN: Dadurch waren im Rückraum vor allem die jungen Spieler gefordert, ...
    Lindgren: ... denen in entscheidenden Situationen oft die Geduld gefehlt hat und viele technische Fehler unterlaufen sind. Dass uns die Erfahrung gefehlt hat, zeigt ja auch das Beispiel Magnus Andersson. Er springt für drei Spiele ein und plötzlich läuft es.
    GN: War das auch ein Grund, warum mit Piotr Przybecki, Matthias Franzén und Jesper Larsson für die kommende Saison erfahrene Nationalspieler geholt wurden.
    Lindgren: Ja. Erfahrung ist sehr, sehr wichtig.
    GN: Für Sie war es Ihr erstes Jahr als Trainer. Was nehmen Sie persönlich mit?
    Lindgren: Ich bin auf jeden Fall stärker geworden. Manchmal läuft es im Sport eben nicht. Es ist gut zu wissen, wie man dann reagieren muss. Wir haben viele Diskussionen innerhalb der Mannschaft gehabt, aber: Wir haben immer zusammen gehalten, obwohl wir den freien Fall nicht stoppen konnten.
    GN: Haben Sie nicht manchmal daran gedacht, als Spieler auf das Feld zurückzukehren?
    Lindgren: Einmal habe ich das gemacht, im Europacupspiel in Nis. Ich habe mit meinem Co-Trainer Patrik Liljestrand darüber gesprochen, ob es Sinn macht, wenn ich spiele. Aber es wäre das falsche Signal an die Mannschaft gewesen. Es hätte bedeutet, ich vertraue den Spielern nicht.
    GN: Wie schätzen Sie das Verhalten der Menschen im Umfeld der Mannschaft in dieser Krisensituation ein?
    Lindgren: Alle im Verein waren ganz geduldig und ruhig. Das ist wichtig in so einer Phase, in der natürlich niemand zufrieden ist mit der Saison.
    GN: Was hat Sie am stärksten getroffen?
    Lindgren: Ganz klar: unsere schlechte Heimbilanz. In der Heimtabelle sind wir Vorletzter. Das ist inakzeptabel. Aber wenn die Abwehr nicht funktioniert, ist es selbst zu schwierig, gegen Wilhelmshaven, Minden oder Pfullingen zu gewinnen.
    GN: Erklären Sie einmal, warum die nächste Saison besser für die HSG verlaufen wird.
    Lindgren: Wir müssen viel besser in der Abwehr spielen und zu unserer 6:0-Deckung eine Alternative entwickeln, vielleicht eine 5:1-Abwehr. Mit einer besseren Defensive bekommen wir auch wieder mehr Gegenstöße. Im Angriff müssen wir das Spiel wieder mehr in die Breite ziehen. Das spiel über die Außen muss wieder eine der Nordhorner stärken werden.


    Quelle: http://www.gnonline.de vom 08.05.2004

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