Quelle: spiegel.de
Flensburg-Handewitt:
Ein deutscher Spitzenclub ohne deutsche Nationalspieler
Man stelle sich vor, Werder Bremen würde keinen Spieler für die Fußball-Nationalmannschaft abstellen. Undenkbar. Beim Handball ist dieses Szenario Realität. Spitzenclub SG Flensburg-Handewitt ist nicht im WM-Kader vertreten. Warum, erklärt Manager Storm im Interview mit
SPIEGEL ONLINE: Thorsten Storm, wieso sind Sie in Mannheim und nicht in Halle oder Dortmund bei der deutschen Mannschaft?
Thorsten Storm: Unabhängig von meinem Patriotismus bedeutet das Turnier für mich Arbeit. In Mannheim spielen mit Spanien, Kroatien, Ungarn, Tschechien, Dänemark und Russland einige Mannschaften, bei denen es interessante Spieler für die Bundesliga gibt.
SPIEGEL ONLINE: Also setzt die SG Flensburg-Handewitt weiterhin auf Ausländer? Als deutscher Vizemeister stellen sie nicht einen einzigen Nationalspieler der DHB-Auswahl.
Storm: Das ist ja nichts Neues, sondern schon seit Jahren so. Von einigen Ausnahmen abgesehen. Dafür stellt die SG das Gerüst der dänischen Nationalmannschaft.
SPIEGEL ONLINE: Was die Sache nicht besser macht.
Storm: Ganz so krass ist es ja nun auch nicht. Hätte Frank von Behren sich keinen Kreuzbandriss zugezogen, hätte Flensburg immerhin den Abwehrchef der Nationalmannschaft bei der WM gestellt. Ich hätte ihn gern spielen sehen, er hätte dem Team und besonders Oliver Roggisch im Mittelblock sicherlich helfen können. Mit Torge Johannsen und Jan Holpert hatten wir zwei Spieler im erweiterten Kader. Ich hätte Jan als erfahrenen Torwart zu dem Turnier mitgenommen.
SPIEGEL ONLINE: Zumal die Torleute Henning Fritz und Johannes Bitter in der Vorrunde nur mäßige Leistungen gezeigt haben.
Storm: Bis zum Slowenien-Spiel haben beide Torhüter nicht überzeugt. Sie müssen sich noch steigern, wenn etwas Großes passieren soll. Das lag aber auch daran, dass weder Fritz noch Bitter in ihrem Verein Stammspieler sind. Zudem geht so etwas nur im Zusammenspiel mit der Abwehr. Die Torhüter sind für mich im modernen Handball zur Zeit die wichtigsten Erfolgsgaranten. Hast du den überragenden Torhüter bei gleichstarken Mannschaften, gewinnst du das Spiel.
SPIEGEL ONLINE: Trotzdem ist die SG offenbar nicht in der Lage, deutsche Nationalspieler an sich zu binden.
Storm: Das hat mehrere Ursachen. Viele Skandinavier - gerade die Dänen - kommen gerne nach Flensburg, weil wir ein attraktiver Verein in Grenznähe sind und viele Fans aus dem skandinavischen Raum haben. Wenn ein skandinavischer Auswahlspieler die Wahl zwischen Gummersbach oder Lemgo - die zentral in Deutschland liegen - und Flensburg hat, kommt er eher zu uns. Bei deutschen Auswahlspielern verhält es sich genau andersrum.
SPIEGEL ONLINE: Aber sie verfolgen trotzdem die Spiele der Deutschen?
Storm: Natürlich. Und es freut mich besonders, dass sich das Team von Spiel zu Spiel gesteigert hat. Zumal Heiner Brand mit einigen Verletzungsproblemen zu kämpfen hatte.
SPIEGEL ONLINE: Was auch an der hohen Belastung im Ligawettbewerb und europäischen Pokalbetrieb liegt.
Storm: Heiner kritisiert zurecht, dass die Belastung - gerade für Nationalspieler - immens hoch ist. Der Terminplan ist einfach zu eng, der Bogen ist langsam überspannt. Von daher kann man vor der Leistung, die Heiner und sein Stab bei der WM abliefern, nur den Hut ziehen.
SPIEGEL ONLINE: Wie weit wird es die DHB-Auswahl denn bei dem Turnier schaffen?
Storm: Wir sind nicht Favorit, unser Team hat keine herausragenden Individualisten. Das ist aber auch ein Vorteil. Wenn die Mannschaft erstmal richtig eingespielt ist, traue ich ihr alles zu. Wichtig ist, dass wir Werbung für den Handball machen und neue Kundenkreise erschließen.
SPIEGEL ONLINE: Sie werden ab der kommenden Saison die Fäden im Hintergrund der SG Kronau/Östringen ziehen. Das Team stellt bislang die Pechvögel der WM.
Storm: Dass Andrej Klimovets sich einen Muskelfaserriss zugezogen hat, tut mir sehr leid. Er hätte dem Team sicher weiterhelfen können. Bei Oleg Velyky war ich von Anfang an skeptisch, ob er nach seiner Fußverletzung an der WM überhaupt teilnehmen kann. Ich denke, er wird in der Hauptrunde nicht mehr zum Einsatz kommen. Das ist ein herber Verlust, schließlich ist Oleg neben dem Kroaten Ivano Balic der wohl beste Rückraumspieler der Welt.
SPIEGEL ONLINE: Werden Sie als Manager der Kronauer verstärkt versuchen, deutsche Nationalspieler hervorzubringen?
Storm: Das ist Zukunftsmusik. Bis zum 30. Juni stehe ich bei Flensburg unter Vertrag und werde alles dafür geben, dass wir unsere hohen nationalen und internationalen Ziele erfüllen. Aber es ist natürlich immer ein Prädikat für gute Arbeit, wenn man möglichst viele Nationalspieler in seinen Reihen hat.