Es kommt vor allem darauf an, ob man so ein Interview persönlich oder auf Distanz führt. Das ist der entscheidende Punkt.
Ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt. Vielleicht vertu ich mich und das Folgende ist bei deinem Statement sowieso schon inbegriffen. Aber der entscheidende Punkt bei einem Interview mit einer solchen Person ist glaube ich eher - insbesondere, wenn man z.B. inhaltlich über potentielle Opfer sexueller und psychischer Gewalt redet - dass man genau Denen gerecht wird. Das ist immer ein ganz guter Indikator. Man stelle sich vor, ein potentielles Opfer besagter Taten liest ein Bild-Interview mit dem Täter. Ruhig auch mal völlig losgelöst von Fuhr und dem Handball - stellt man sich mal vor die Vorwürfe "sexuelle und psychische Gewalt" liegen bei einem "stinknormalen" Fall häuslicher Gewalt vor, das passiert hundertfach jeden Tag hinter deutschen Türen.
Wie wird sich das Opfer fühlen, wenn es das Interview derjenigen Person liest, die sie tendenziell traumatisiert hat? (Ohne dass das im Fall Fuhr gesichert so gekommen ist - es ist jedoch im grundsätzlichen Fall realistisch). Was wird es denken, wenn sich der Täter zum Opfer einer Verfolgungs- oder wechselweise Verleumdungskampagne stilisiert - während die wirklichen Opfer damit den Eindruck des "Auf verlorenen Posten stehens" bekommen - denn außer ihnen und dem Täter war ja niemand bei den Vorfällen dabei und kann es bezeugen.
Nein, es geht bei einem solchen Interview nicht darum, wie der Journalist seine Beziehung zum Interviewten gestaltet. Sondern darum wie er es schafft, die (gewaltsame) Beziehung des (potentiellen) Täters zu seinen Opfern und die im Raum stehenden Vorwürfe sachgerecht und im Hinblick auf existente Hierarchie-, Macht-, und Unterdrückungsebenen ausdifferenziert darzustellen. Er muss den potentiellen Täter im realistischen Licht zeigen. Ihn nicht "unter den Bus werfen", ihn aber auch nicht harmloser darstellen, als es die (realistischen) Vorwürfe suggerieren. Das Bild-Interview tut leider letzteres. Und genau das muss vermieden werden, wenn Fuhr nochmal die Chance bekommt, öffentlich zu sprechen. Man sollte ihm die Chance nur noch geben, wenn das Interview das nötige, (hohe!) Maß an kritischer Auseinandersetzung beinhaltet.
Aber ich glaube nicht, dass Fuhr sich auf so etwas überhaupt einlassen kann. Wie schon in vorherigem Post geschrieben ist er ein Mann aus einer anderen Zeit. Er ist zwar Damentrainer (gewesen), wird aber zu Begriffen wie "Patriarchat", "Machtgefälle", "Verantwortungsposition" wohl nie zu Fachliteratur gegriffen haben. Aber die Zeiten ändern sich. Er ist schlichtweg nicht mitgegangen. Auch wenn ich jetzt klinge wie einer vom lokalen AstA: Er muss seine geschlechtsspezifische und hierarchische Position innerhalb des Mannschaftsgefüges in einem viel sensibleren Maße reflektieren, als ers bisher getan hat. Er muss seine Konzepte von Männlichkeit und männlich-weiblichen Umgangsformen grundsätzlich in Frage stellen. Und ein Interview müsste ihn dazu bringen, genau das zu tun - auch wenn er von selbst über etwas Anderes fabulieren will. Das hat das Bild-Interview auch nicht getan. Und da haben die vom AstA schon Recht, bei aller richtigen Kritik an deren identitätspolitischen Flausen.