Zentral und verantwortlich sind - wie immer - die Trainer. Wenn diese sich aber an der Bundesliga orientieren, dann können die im Kinderhandball angestrebten Verhaltensweisen in der Abwehr nicht erreicht werden. Das Thema ist nicht wirklich neu - und es ist schon arg, zu sehen, daß sich in mehr als 10 Jahren RTK mit verbindlichen Vorgaben für das Abwehrspiel so wenig getan hat. Seit 2005 sind unter der Leitlinie „Abwehr strukturiert Angriff“ offensive Abwehrformen (Manndeckung, Sinkende Manndeckung, offensive Raumdeckung) vorgegeben. Handball wird im Spitzenbereich zwar in kleinen Räumen vor den Toren gespielt - Anfänger sollen das Spiel aber in großen Räumen lernen, um sich höheren Anforderungen im läuferisch-koordinativen Bereich und vor allem in der Wahrnehmung und Orientierung anzupassen. Das zweite Element im Spiel mit offensiver Abwehr ist die Betonung der zentralen Situation 1gegen1, indem die ständige Auseinandersetzung mit dem Gegner - unabhängig davon, ob dieser in Ballbesitz ist oder nicht, gefordert wird. Diese Zweikämpfe sind sehr lernintensiv, denn die Abwehrspieler sollen nicht auf die Spielhandlungen ihres Gegenspielers reagieren, sondern diese im Idealfall vorausahnen (antizipieren).
Ein Problem ist der seit mehreren Jahren zu erkennende Trend zur Zergliederung des Spiels: Da werden lange Diskussion unter Trainern darüber geführt, ob ein- oder beidbeinige Kniebeugen besser sind. Im Training werden 1gegen1-Aktionen gegen Stangen, Kastenoberteile oder aufgeblasene Gummipuppen geübt. Handball wird als Kombination von Fangen, Passen und Werfen vermittelt - Prellen ist pfui (obwohl in der Weltspitze genügend Spieler zeigen, warum es wichtig ist). Als Grundlage kommt vielleicht noch ein bißchen Koordination dazu (wenn der Trainer deren Bedeutung erkennt), ansonsten ist sogar schon Krafttraining für Kinder angesagt. Diese Bestandteile werden isoliert trainiert und es wird erhofft, daß sich dann im Wettkampf die geschulten Elemente wie von Geisterhand perfekt zusammenfügen.
Handball muß aber als komplexes Problemlösungsspiel vermittelt wird, daß sich mit situativen Handlungen von Angreifern und (!) Abwehrspielern beschäftigt. Die Techniken sind dabei "nur" die Werkzeuge zur Lösung von Spielsituationen: das Dribbling ermöglicht Raum- und Zeitgewinn mit dem Ball, Fangen und Passen bilden die Grundlage der Kooperation zwischen den Spielern und mit dem Wurf wird der Zielschuß realisiert. In der Grundlagenschulung sollte der Fokus deshalb nicht auf dem Abwehrtraining, sondern in erster Linie auf der Ausbildung der individuellen Fertigkeiten und Fähigkeiten im Angriff liegen. Getreu der zweiten Leitlinie „Angriff schult Abwehr“ zwingen nur spiel- und handlungsfähige Angreifer ihre Gegner in der Abwehr zum aktiven Verteidigen.
Und jetzt kommt der "Problemfaktor Trainer" ins Spiel: er muß solche Situationen im Training aufbauen (möglichst in reduzierter Komplexität im Vergleich zum Wettkampf) und dann die gewünschten Verhaltensweisen in Angriff und Abwehr erklären, abfordern und korrigieren ("Wenn ..., dann... !" ist die Formulierung, die dann häufig zur Anwendung kommt.). Das ist richtig Arbeit - insbesondere bei Anfängern. Aber nur so geht es.