Original aus der Berliner Zeitung
Weg vom Stadtteil-Klub
Handball-Zweitligist Reinickendorfer Füchse hat Visionen und verpflichtet Nationalspieler Rose
Michael Kölmel
BERLIN, 28. Juli. Auf der Trabrennbahn hätte man gesagt, mit Ulrich Theis sind die Pferde durchgegangen. Das Ambiente des Berliner Intercontinental ähnelt aber nicht im geringsten einem Gestüt, und Berlins Handballer, gerade erst in letzter Instanz vor der Verbannung aus der zweiten Liga gerettet, nennen sich Füchse - mit den großen Vierbeinern hat also auch das wenig zu tun. Dennoch pries Ulrich Theis Bob Hanning, den vor drei Wochen neu inthronisierten Geschäftsführer, in höchsten Tönen als das neue Zugpferd des Klubs. "Er raucht nicht, er trinkt nicht und er ist nicht verheiratet - er steht seinem neuen Verein also 24 Stunden am Tag zur Verfügung."
Was Freunde der Askese erfreuen mag, stellt sich in Wirklichkeit etwas anders da. Bei den Füchsen ist mit Hanning ganz gewiss keine humorlose Zeit angebrochen, der 37-Jährige selbst stellte später klar: "Ich weiß auch nicht, was ihn da geritten hat. Ich trinke auch in Zukunft gerne mal ein Bierchen." Die erste Pressekonferenz der Füchse nach ihrer Rettung war eine recht humorische Veranstaltung. Theis und Gesamt-Vereinspräsident Frank Steffel verpackten ihre Freude über die Rettung, Hannings erste Ergebnisse seit der Lizenzerteilung vor zweieinhalb Wochen und den Stolz darüber in eine Reihe kleiner Scherze. Trocken zusammengefasst lässt sich festhalten, dass endlich die seit Jahren geplante GmbH entsteht, um den Hauptverein Reinickendorfer Füchse zu entlasten. Der Traditionsklub wird mit einer Sperrminorität von 26 Prozent einer der Gesellschafter; dazu Steffel, Theis und Hanning. Zwei Sponsoren konnten in der Kürze der Zeit gewonnen werden, mit weiteren sei man in vielversprechenden Verhandlungen, so Steffel. Die auffälligste Änderung findet in Sachen Spielort statt. Das Turnhallenambiente des weit abgelegene Korber-Zentrums wird durch Profi-Atmosphäre ersetzt. In Zukunft spielen die Füchse wie Alba Berlin in der Schmelinghalle. Die Reinickendorfer wollen ihr Image als Stadtteilklub ablegen. Doch es gibt jede Menge Problemfelder. Die anvisierten Sponsorenverträge sind längst nicht unterzeichnet, drei Stammspieler kehrten Berlin den Rücken und noch gibt es keinen Ersatz für den nach Dessau abgezogenen Trainer Swiridenko. Derzeit betreut Hanning, der zuletzt als Coach den HSV Hamburg an die deutsche Spitze geführt hat, den Kader.
Doch auch wenn ihm die Arbeit mit dem "jungen, hoch talentierten Kader" Spaß macht - spätestens in der ersten Augustwoche will er einen "qualitativ und menschlich starker Trainer" vorstellen. Auch Hanning glaubt an einen baldigen Aufstieg. Seine Vision hat auch Nationalspieler Christian Rose angesteckt. Der durch die Lizenzverweigerung für TuSEM Essen arbeitslos gewordenen Rückraumspieler zog das Berliner Angebot lukrativen Offerten von spanischen und französischen Erstligisten vor. "Ich glaube an das Projekt", sagt der 28-Jährige, "ich bin nicht gekommen, um lange in der zweiten Liga zu spielen."