Christian Ciemalla
Niestetal: Prezic bis Jahresende gesperrt
Die "Affäre" Niestetal hat ein Ende gefunden. Nachdem der Niestetaler Spieler Robert Klatt am 20. Mai den Anruf beim Dessauer Vorstandsmitglied gestanden und dafür eine Sperre bis zum 30. September erhalten hatte, wurde heute der von Klatt belastete Trainer Hazim Prezic bis zum Jahresende gesperrt. Das Bundessportgericht des DHB unter der Leitung von Karl-Hermann Lauterbach wich dabei deutlich von der von HBL-Spielleiter Uwe Stemberg geforderten achtzehnmonatigen Sperre ab. Das Gericht sah eine Beteiligung Prezics als erwiesen an, der selbst aber ein Gespräch und die Ausübung von Druck auf Robert Klatt weiterhin abstreitet.
In der Anklage gegen den Niestetaler Spieler Robert Klatt, der eine Sperre bis Ende September erhalten hatte (Bericht siehe => hier), hatte der Spieler zunächst ein Telephonat eingestanden, in dem er das Dessauer Vorstandsmitglied Olaf Jasper gefragt hatte, "Ob für das Spiel etwas zu machen sei, es könne auch Geld gezahlt werden". Klatt gab in der ersten Verhandlung an, dass er dieses Telephonat auf Druck seines Trainers Hazim Prezic geführt habe und erhielt so, auch dank seiner Offenheit, eine milde Strafe, eine Sperre bis Ende September. Für HBL-Spielleiter Uwe Stemberg war die Sache damit nicht beendet, bereits in der Verhandlung kündigte er ein Verfahren gegen HSG-Trainer Hazim Prezic an, dass am gestrigen Freitagabend verhandelt wurde.
Zunächst nahm die Verhandlung im Kaminzimmer des Kurparkhotel Kassel-Wilhelmshöhe seinen erwarteten Verlauf. Spielleiter Uwe Stemberg, selbst nicht anwesend, hatte, aufgrund der im Verfahren gegen Robert Klatt publik gewordenen Vorwürfe, in seiner Klageschrift eine achtzehnmonatige Sperre gegen HSG-Trainer Hazim Prezic gefordert. In der Verhandlung gaben der Vorsitzende Karl-Hermann Lauterbach, der bereits im Verfahren gegen Klatt den Vorsitz geführt hatte, und seine Beisitzer Udo Franck und Dr. Hans-Joachim Wolf zunächst dem Beschuldigten die Möglichkeit zur Stellungnahme.
Prezic erklärte, dass er den vakanten Posten als Trainer der I. Mannschaft der HSG Niestetal/Staufenberg erst am 17. März übernahm. Zu dieser Lösung war es gekommen, weil kein anderer Trainer zur Verfügung stand. Wie später vom als Zeuge geladenen Bundesligaobmann der HSG, Reinhard Reuße, bestätigt wurde, bereits zu diesem Zeitpunkt mit der Einschränkung, dass Geld nicht sofort und vielleicht auch nicht verspätet gezahlt werden könnte. Prezic selbst war dabei nicht als Profitrainer aktiv, sondern übernahm das Amt zusätzlich zu seinem normalen Job. Am Freitag übernahm er das Team, am Samstag konnte er einen überraschenden Sieg über Burgdorf feiern. Auch im nachfolgenden Spiel gelang Niestetal ein Sieg, in beiden Spielen wurde Klatt nicht eingesetzt, der sich, nach Aussage des Trainers, darüber mit Mannschaftssprecher Kai Hüter unterhielt, der den Trainer darauf hinwies, dass der im Januar von Eintracht Hildesheim nach Niestetal gewechselte Klatt damit unzufrieden sei. Es folgte ein Gespräch, im nächsten Spiel wurde Klatt für einige Minuten eingesetzt. Danach fuhr Klatt nach Halle, wo er sich einer Fußoperation unterzog, so dass er erst am 8. Mai wieder in den Trainingsbetrieb zurückkehrte.
"Ich habe ihn kaum gesehen, ich hatte fast keinen Kontakt zu ihm und hab keine privaten Gespräche mit ihm geführt, ich wusste gar nicht, dass er aus Dessau kommt, da er von Hildesheim nach Niestetal gewechselt war. Ich kannte weder Olaf Jaspers noch wusste ich von der Verbindung von Familie Klatt und Familie Jasper", argumentierte Prezic, dass ihm die Hintergrundinformationen gefehlt hätten. Zudem wäre er nicht in der Lage gewesen, selbst Geld zu zahlen und mit dem Verein hätte es keine Gespräche gegeben. Da der Spieler zunächst nicht eingesetzt worden und dann verletzt war, habe er auch in den letzten beiden Spielen nicht mit Klatt gerechnet. Da zudem klar war, dass der Spieler die HSG zum Saisonende wieder verlässt, hätte er gar keine Möglichkeiten gehabt, den Spieler wie vorgeworfen unter Druck zu setzen. "Ich hatte keine Ahnung, als mich Klatt nach seinem Anruf anrief und mir mitteilte, dass sich Dessau nicht darauf einläßt, das kam aus heiterem Himmel", so Prezic.
Als nächstes befragte das Gericht Zeugen, als erstes den Niestetaler Bundesligaobmann Reinhard Reuße, der angab, von den Vorwürfen durch die Medien und nicht aus Spielerkreisen erfahren zu haben. "Weder im Gespräch mit Herrn Prezic noch mit irgendjemand anderem war eine Verschiebung je ein Thema", so Reuße. Ihm folgte Robert Klatt als Zeuge, der seine Vorwürfe aus dem ersten Verfahren wiederholte. "Als ich in die Halle kam, unterhielt sich Trainer Prezic mit einem Spieler über Dessau. Ich fragte nach, was ist denn mit Dessau. Daraufhin wurde ich gefragt ob ich da nicht jemanden kenne, da man schon den Tag über versucht habe, dort jemanden zu erreichen. Ich sagte, ich kenne nur Herrn Jasper. Herr Prezic nahm mich kurz darauf zur Seite und sagte mir, dass ich dort anrufen sollte und fragen sollte, ob bezüglich des Spiels etwas zu drehen sei, es könne auch Geld gezahlt werden. Ich habe mich unter Druck gesetzt gefühlt und habe dies gemacht. Herr Jasper wies das Angebot sofort, wie ich es erwartet hatte, zurück, daraufhin rief ich den Trainer an und teilte ihm dies mit. Beim nächsten Training fragte der Trainer noch einmal kurz nach, danach war das Thema für mich abgehakt, bis mich Herr Reuße am Freitag zu einem Gespräch bat, mir mitteilte, dass eine Ermittlung gegen mich eröffnet worden sei und dass ich von der HSG vom Spielbetrieb freigestellt werde.
Das Gericht sah die Aussage des Zeugen Klatt als glaubwürdig an, Prezics Rechtsanwalt Roth konnte dies nicht entkräften, da Klatt auch auf die Nachfragen zumeist überzeugend antwortete. Allerdings relativierte Klatt seine eigene Aussage bezüglich des ausgeübten Drucks durch den Trainer, dieser habe ihn dreimal gefragt und er habe sich davon "genervt" und ein wenig unter Druck gesetzt gefühlt. Das Gericht unterbrach vor der Vernehmung der weiteren bestellten Zeugen und gab dem Beschuldigten und seinem Anwalt die Möglichkeit zu einer Beratung, da es nach den Zeugenaussagen eine Beteiligung von Hazim Prezic als wahrscheinlich ansah. "Wenn ein Gericht unterbricht, dann tendiert es eindeutig zu einer Richtung", so Rechtsanwalt Roth. "Wir hätten mit unseren anderen Zeugen die Aussage von Robert Klatt nicht entscheidend entkräften können, da kein Spieler oder Zeuge definitiv ausschließen kann, dass dieses von Robert Klatt genannte Gespräch stattgefunden hat", so Roth weiter.
Um 20:55 Uhr erklärte Rechtsanwalt Roth dann im Namen seines Mandanten: "In dem Drittel der Halle (in dem damals das Training stattfand, Anm. d. Red.) wurde ein intensives Gespräch über den Abstieg und seine Folgen gehalten, wobei auch der Name Klatt fiel. Hazim Prezic hat ihn nicht zur Seite genommen und ihn einzeln gesprochen aber er räumt ein, eventuell unterstützend bejaht zu haben: ´Mach es doch, wenn Du die Möglichkeit hast´." Das Verfahren war damit abgeschlossen, das Gericht zog sich für die Urteilsfindung zurück. Es wurde eine Sperre bis zum 31.12.2006 verhängt, wobei das Gericht die Offenheit des Angeklagten würdigte und so dem geforderten Strafmaß nicht folgte. Auch aufgrund der Einschränkungen in Hinblick auf die Druckausübung wich das Urteil doch drastisch von den geforderten achtzehn Monaten ab.
Trotz des milden Urteils zeigte sich Trainer Hazim Prezic keineswegs erleichtert. Für seinen Verteidiger war es aber die richtige Entscheidung, da er nach der Aussage von Robert Klatt keine Möglichkeit mehr sah, die Unschuld seines Mandanten zu beweisen und so das günstigste Urteil für den Beschuldigten erzielen konnte. Prezic beteuerte weiterhin seine Unschuld, sein Anwalt habe ihn aber überzeugt, dass er keine Chance mehr sah, diese zu beweisen. Durch die Revidierung seiner Aussage wollte Prezic aber einen Schlußstrich unter das Verfahren ziehen, in dem das Gericht ansonsten, aufgrund der Situation in der Halle und der Diskussionen unter den Spielern, eventuell auch noch gegen andere Spieler hätte Ermittlungen aufnehmen können.
Das Urteil ist aber auch ein klarer Fingerzeig für alle Trainer. Es gilt aufkeimende Gespräche über eventuelle Verschiebungen bereits im Keim zu ersticken. Denn einem neutralen Prozeßbeobachter ergab sich bei den gegensätzlichen Aussagen folgendes Bild. In der Niestetaler Mannschaft scheinen in der damaligen Situation Gespräche über die Möglichkeit einer Verschiebung stattgefunden zu haben. Diese nahm Robert Klatt zum Anlaß, das verheerende Gespräch zu führen. Trainer Prezic verhinderte diese Gedankenspiele nicht und schien diese für den Spieler zumindest durch sein Schweigen zu billigen. Dazu passt die Aussage von Hazim Presic, dass einer der Spieler nach einem Gespräch mit Klatt beim nachfolgenden Training zu anderen Spielern gelaufen sei und ihnen gesagte habe: "Der hat da wirklich angerufen". Ob dieses Bild wirklich den Tatsachen entspricht, oder aber eine der von den beiden Beschuldigten angeführten Aussagen der Wahrheit entspricht wird nicht einwandfrei zu ermitteln sein. Das Gericht sah unterdessen eine Beteiligung von Prezic als erwiesen an, durch die Milde der Strafe scheint das Gericht aber nicht nur der Offenheit des Zeugen gerecht geworden zu sein, sondern auch den Fragezeichen hinter der Stärke der Beteiligung.
HB-Welt