Da weder Frust noch Euphorie unmittelbar nach Ende eines Spiels zu vernünftige Bewertungen des generellen Leistungsstands einer Mannschaft führen, habe ich erstmal knapp drei Stunden verstreichen lassen, bevor ich was in die Tastatur hämmere. Und ich stelle auch hier schon fest, dass die Qualität der Beiträge mit dem Abstand zum Schlusspfiff so allmählich wieder zunimmt. Was haltet Ihr von folgender Einordnung:
Nachdem es unsere Mannschaft in den vergangenen Spielen einige Male an ihre Leistungs-Grenze gehen musste, in Viertel- und Halbfinale wahrscheinlich sogar darüber hinaus, waren einfach nicht mehr genug Körner übrig, um heute nochmals gegen einen überlegenen Gegner über sich hinaus zu wachsen. Was gegen Dänemark in seiner heutigen Verfassung zweifellos nötig gewesen wäre und wahrscheinlich trotzdem nicht gereicht hätte.
Das hat Alfred möglicherweise auch gespürt, was ich wegen seiner "zurückhaltenden" Äußerungen vor dem Spiel, und die ihm anzumerkende Nervosität vermute. Im Gegenzug dazu war sich Jacobsen offensichtlich sehr sicher, das der Tank von Gidsel, Pytlik etc. noch voll genug für eine große Performance im Finale war.
Das hat dann, wie hier ja auch schon angemerkt wurde, zumindest einige Spieler veranlasst sich in der Offensive ein höheres Risiko zu gehen, weil sie gespürt haben, dass es mit "Power-Handball" nicht funktionieren würde. Und auch in der Abwehr trauten sich die Spieler den "zusätzlichen Schritt", der notwendig gewesen wäre um die dänische offensive zu bändigen, wohl sehr schnell nicht mehr zu.
Es klappte dann noch halbwegs, solange man noch auf Tuchfühlung war. als diese zwischen 10. und 15. Minute verloren ging war die Widerstandsfähigkeit der (in wesentlichen Teilen) jungen Truppe gebrochen, und es ging dahin. Das kann man kritisieren, weil man von Profis schließlich eine gewisse Einstellung erwartet. Aber jeder der selber schon Wettkampfsport betrieben hat weiß, das es solche Tage gibt. Selbst bei Vollprofis.
Deswegen die Leistung über das gesamte Turnier nun so herabzuwürdigen, wie das in einigen Posts der letzten drei Stunden rüber kam, ist aus meiner Sicht nicht angebracht. Unterm Strich hat unser Team mehr geleistet, als ihm zuzutrauen war!
Denn seien wir mal realistisch. Wem im deutschen Kader hätte man zu Turnierbeginn zweifelsfrei das Prädikat "Weltklasse" zugeschrieben? Doch allenfalls A. Wolff, und auch der ist nicht in der Lage dies in jedem Spiel abzurufen. Schafft auch N. Landin nicht. Aber die dänische Offensive ist meistens in der Lage seine schwächeren Tage zu kompensieren.
Das kriegen wir (noch) nicht hin. Wir sind auf eine Top-Torhüter-Leistung angewiesen, um gegen die starken Teams bestehen zu können.
Im Feld haben wir mit Knorr und Uscins zwei noch sehr junge Protagonisten, die das Potential zur Weltklasse in der Offensive sicher mitbringen, aber zumindest noch nicht beständig abrufen können. Daher sind sie aus meiner Sicht momentan auch noch keine Weltklasse-Spieler, wenn auch Uscins im Verlauf dieses olympischen Turniers einen deutlichen Schritt in diese Richtung gemacht hat. Köster sehe Ich (bislang aber nur in der Defensive) ebenfalls auf dem Weg in diese Kategorie. Auch Golla würde ich gehobenes internationales Format zuschreiben.
Aber dann wird es auch schon deutlich dünner was internationale Klasse (oder gar Weltklasse) angeht. Auf den Außen-Postionen und RR-L fehlt uns dieses Format bislang. Ach die Kader-Tiefe genügt eigentlich noch nicht höchsten Ansprüchen. Und da frage ich mich schon, wie man mit dieser Basis aktuell Titel-Erwartungen erfüllen soll? Gemessen daran ist die Silbermedaille eigentlich ein herausragendes Ergebnis, dass der tollen Team-Leistung bis heute, und der offensichtlich taktisch richtigen Einstellung von Alfred (zweiter RA hin oder her)! Da ist mehr rausgeholt worden, als eigentlich drin war.
Optimistisch für die Zukunft kann uns machen, dass einige Akteure in ihrer Entwicklung noch nicht ausgereizt erscheinen. Und dass noch einige spannende junge Talente dazu kommen könnten. Wenn zudem der Spruch stimmt (wovon ich überzeugt bin), wonach man aus (vor allem schmerzhaften) Niederlagen am meisten lernen kann, haben unsere Jungs ja heute eine Menge "Lernstoff" mitbekommen. Zunächst sollten sie aber stolz auf das erreichte sein dürfen, und diese Medaille gebührend feiern. Dann kann man sich neue Ziele stecken.