Der Geschäftsführer der SG Flensburg-Handewitt, Thorsten Storm, und Jonny Jensen als Spielervertreter, trafen sich mit vier Vertretern der "Ultras", zu einer gemeinsamen Aussprache. Hier der Artikel aus dem Flensburger Tageblatt:
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Die SG-„Ultras“ wollen ihr „Bad-Boy-Image“ los werden
Die „Ultras“ wehren sich gegen den Vorwurf gewaltbereit und rechtsradikal zu sein. „Mit solchen Gruppierungen haben wir nichts zu tun“, sagen die Sprecher der Fan-Gruppe der SG Flensburg-Handewitt.
Flensburg
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– Das „Veilchen“ unter seinem rechten Auge schillert in allen Regenbogenfarben. Es ist das Überbleibsel einer Auseinandersetzung mit einem Betrunkenen. „Das war am vergangenen Wochenende in der Stadt“, erzählt Janne Jacobsen. „Der hat auf eine Frau eingeschlagen, ich bin hin und habe ihm gesagt, er soll damit aufhören.“ Hat der Angetrunkene auch prompt getan, sich dafür aber den jungen Helfer der Frau vorgenommen.
Janne Jacobsen ist BWL-Student, 21 Jahre alt und Fan der SG Flensburg-Handewitt - bei den „Ultras“. Auch Sönke Petersen (35), Jörg Petersen (32), beide kaufmännische Angestellte, und Sven Anker (22), Auszubildender bei einem Internet-Dienstleister, gehören dazu. Das Quartett bildet den organisatorischen Kern der „Ultras“, die inzwischen 75 Mitglieder zählen.
Die „Ultras“ wurden in den vergangenen Wochen für Vorfälle am Rande zweier Auswärtsspiele der SG Flensburg-Handewitt verantwortlich gemacht. Im Internet war zu lesen, dass sie in Aschaffenburg bei der ersten SG-Saisonniederlage Sitze aus der Verankerung gerissen und damit geworfen haben sollen. Kiels Manager Uwe Schwenker hatte die „Ultras“ als Werfer eines Feuerzeugs ausgemacht, von dem im Pokalspiel gegen die SG ein Zeitnehmer am Kopf getroffen wurde.
„Das ist völliger Quatsch“, wehrt sich Sönke Petersen gegen die Anschuldigungen. „Die Sachen werden im Internet aufgebauscht. Und Uwe Schwenker stellt uns öffentlich an den Pranger, um im Bundesliga-Rückspiel die Flensburger Fans aus der Ostseehalle auszusperren. Damit will er einen Keil zwischen uns SG-Anhänger treiben.“ Die „Ultras“ sind nur eine von vier Fan-Gruppen der SG. „Eigentlich gehören wir zum Fanclub Hölle Nord“, sagt Sven Anker. „Aber wir nennen uns Ultras, weil wir die SG nicht nur besonders lautstark, sondern auch optisch durch Doppelhalter und Plakate unterstützen.“ Daneben gibt es die „Wikinger“, die älteste Fan-Gruppierung noch aus Weiche-Handewitter Zeiten, und die „Nordlichter“, die sich auch über die Grenze in Richtung Norden orientieren.
„Wie sollen wir in der Ostseehalle vom obersten Rang aus mit einem Feuerzeug einen Zeitnehmer treffen?“, fragt Jörg Petersen. „Das ist unmöglich.“ Auch die Sache mit dem Sitz in Aschaffenburg war nach Darstellung von Petersen ganz anders als im „Netz“ geschildert. „Das ist schon vor dem Spiel passiert. Da ist ein Sitz abgebrochen, als einer unserer Fans darüber stolperte“, behauptet Sönke Petersen. „Unser Fehler war, dass wir das nicht gleich dem Hallenwart gemeldet haben.“ Dafür haben sich die „Ultras“ inzwischen beim TV Großwallstadt entschuldigt - auch für die verbalen Ausfälle gegen TVG-Geschäftsführer Schnobrich nach dem Spiel. „Da haben wir Mist gebaut“, gibt Sönke Petersen zu.
Lange haben die „Ultras“ hingenommen, „dass wir für alles verantwortlich gemacht werden, wenn irgend etwas passiert“. Doch jetzt wollen sie offensiv gegen ihr „Bad-Boy-Image“ kämpfen. „Wir müssen uns nicht rechtfertigen für Dinge, die wir nicht getan haben“, erklärt Anker. „Mit Randalierern wie im Fußball oder Rechtsradikalen haben wir nichts zu tun.“ Der Begriff „Ultra“ werde in Deutschland gleichgestellt mit dem Wort „Hooligan“, und in Italien seien „Ultras“ politisch sehr weit links oder sehr weit rechts angesiedelt. „Mit solchen Gruppierungen haben wir nichts tun, wir sind unpolitisch“, macht Anker deutlich. „Ich war drei Jahre lang SPD-Mitglied“, ergänzt Sönke Petersen, „ich würde mich nie einer rechtsradikalen Gruppe anschließen.“ Der Name „Ultra“ soll lediglich die enge Verbundenheit mit der SG signalisieren. „Verbal sind wir stark“, erläutert Janne Jacobsen, „aber die Fäuste lassen wir nie sprechen. Wir wollen der SG doch helfen und ihr nicht schaden.“
Das kann Thorsten Storm bestätigen. „Seit ich hier in Flensburg bin, hat es in der Campushalle oder anderswo mit unseren Fans keine Auseinandersetzungen gegeben“, sagt der Geschäftsführer. Im Gegensatz zu Kiel: Dort hatten im ersten Saison-Heimspiel 2004 THW-Fans mit Hallenzeitungen auf Mindener Spieler eingeschlagen, als kurz vor Schluss Zeitz rüde gefoult worden war.
Storm beobachtet die Fans-Szene in Flensburg genau. „Bei Fehlentwicklungen steuern wir sofort gegen, schließlich sind die Fans ein Stück von uns. Sie sorgen in den Heimspielen auf der Stehtribüne für eine einmalige Stimmung.“ Deshalb setzt der Geschäftsführer auf Kommunikation statt auf Konfrontation, auf Dialog statt auf Ausgrenzung. „Er ist mit uns ständig in Kontakt“, bestätigt Jörg Petersen.
In Kontakt sind die „Ultras“ auch mit den anderen Fan-Gruppen der SG, um Einigkeit in der Anhängerschaft zu erreichen. Sven Anker: „Wir hatten sehr konstruktive Gespräche.“ Das Ergebnis: Die „Ultras“ wollen gemeinsam mit den „Wikingern“ einen Sonderzug zum Auswärtsspiel beim HSV Hamburg (19. November) organisieren. Mit dem Verein haben die „Ultras“ eine weitere Aktion in Angriff genommen. Wie sie aussehen wird, will das Führungsquartett noch nicht verraten. Nur so viel: „Es ist eine Aktion auf sozialer Ebene“, so Sönke Petersen. H.-W. KLÜNNER