BGH verschärft Bestrafung bei Steuerhinterziehung

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    Wie sind die Änderungen der Strafen für Steuerhinterziehung 0

    1. das wird eng für mich (0) 0%
    2. viel zu lasch (0) 0%
    3. zu lasch (0) 0%
    4. in Ordnung (0) 0%
    5. zu streng (0) 0%
    6. viel zu streng (0) 0%

    Mit dem gestern veröffentlichen Urteil wird die "gesiebte" Luft hinter schwedischen Gardinen für überführte Steuerhinterzieher in großem Maße wahrscheinlicher


    http://www.rp-online.de/public…-Steuerhinterziehung.html



    Was haltet ihr davon

  • Solange die meisten hier keinerlei persönlichen Erfahrungen mit dem Thema Steuerhinterziehung haben, werden sich die meisten für eine deutliche Verschärfung aussprechen, Lord der Finsternis. Die meisten glauben ja immer noch, daß die Reichen keine Steuern zahlen und vor lauter Steuerschlupflöchern das Tageslicht kaum sehen.


    Ungewöhnlich finde auch ich zuerst einmal, daß das Bundesverfassungsgericht so konkrete Grenzen vorgibt wie hier:


    Zitat

    Der Bundesgerichtshof legte eine Art Drei-Stufen-Modell vor, von Geld- über Bewährungs- bis zur Haftstrafe. Ab einem Betrag von 100.000 Euro kann nur noch in Ausnahmefällen eine Geldstrafe verhängt werden, in der Regel ist dann eine Bewährungsstrafe fällig. Bereits ab 50.000 Euro handele es sich um eine Steuerhinterziehung in "großem Ausmaß".


    Nach meiner Einschätzung werden die meisten Betriebsprüfungen dann eine Steuerhinterziehung im großen Ausmaß aufdecken. Wir reden dann nicht mehr von dem Bauunternehmer mit 100 Mitarbeitern, sondern auch von der Pizzeria um die Ecke. Das sage ich nur mal zum Verständnis, ohne Wertung.


    Ich sehe es auch so wie einer der Lesermeinungen in dem von Dir zitierten Artikel: Solange auf der Einnahmenseite, das heißt bei den Steuereinnahmen immer mehr strafrechtliche Regelungen eingezogen bzw. verschärft werden, muß auch endlich einmal deren Verwendung bzw. teilweise Verschwendung sanktioniert werden.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Solange auf der Einnahmenseite, das heißt bei den Steuereinnahmen immer mehr strafrechtliche Regelungen eingezogen bzw. verschärft werden, muß auch endlich einmal deren Verwendung bzw. teilweise Verschwendung sanktioniert werden.


    So ist es!


    http://schwarzbuch08.steuerzahler.de/topten.php


    http://www.steuerzahler.de/web…c-92/_nr-1/_lkm-23/i.html

  • Der BGH mahnt hier doch nur die Untergerichte an, wieder nach den Spielregeln zu spielen.


    Ich habe noch keine plausible Rechtfertigung gehört, warum ein Betrug gegenüber einem Unternehmen ab einem bestimmten Schaden üblicherweise in den Bau führt, die zehnfache Summe aber bei der Steuerhinterziehung einen Strafbefehl rechtfertigen soll. Im Endeffekt funktioniert das ganze doch wie beim Ablasshandel in Mittelalter, wenn ich das doppelte meiner Sünden(summe) an den Staat zahle sieht er von schlimmeren Strafen ab. Wenn der Täter eines einfachen Betruges vor dem AG in (setze eine beliebige Kleinstadt ein) damit rechtfertigen will er könne den Schaden sofort wieder gut machen, wird ihm der Richter einen Vortrag über Generalprävention und ihn danach dementsprechend verurteilen.


    Dass schlimme ist doch, dass die Gerichte und Staatsanwaltschaften automatisch zu anderen Strafbarkeiten kämen, wenn die meisten Steuerhinterziehungen nicht jede für sich ein paar Leitz Ordner füllen würde.

  • Steuersünder sind genauso Schmarotzer, wie Menschen die ungerechtfertigte Sozialleistungen erschleichen.
    Beides ist verabscheuungswürdig, da es dem Staat wichtige Einnahmen entzieht um z.B. soziale Projekte, Kindergärten, Straßen oder Schulen zu finanzieren bzw. zu sanieren.
    Natürlich gibt der Staat auch unsinnig Geld aus. Teilweise werden aber auch krasse Einzelbeispiele überzeichnet, und die Steuerschmarotzer beruhigen damit ihr Gewissen.
    Diese Deals die es teilweise zwischen Staatsanwaltschaft (welches Rechtsverständnis haben diese Juristen überhaupt?) und den Steuersündern gab, waren doch rechtsstaatlich sehr bedenklich.
    Diesen Mauscheleien wird jetzt hoffentlich ein Riegel vorgeschoben.

    Mit jedem wag ichs, dem ich kann ins Auge fassen.

    Einmal editiert, zuletzt von michel b. ()

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von huth10
    Der BGH mahnt hier doch nur die Untergerichte an, wieder nach den Spielregeln zu spielen.


    Und die Untergerichte werden sich nicht (oder nur sehr mäßig) dafür interessieren. Abgsehen davon, dass die Untergerichte nach den Spielregeln (nach den Gesetzen nämlich) spielen ... der BGH hat kein "Weisungsrecht" gegenüber den Untergerichten (für zukünftige Urteile) mit Blick auf das Strafmaß - das hat nur der Gesetzgeber (durch Vorgabe des gesetzlichen Strafrahmens).


    Der gesetzliche Auftrag als Richter und die richterliche Unabhängigkeit garantieren, dass ein "Unterrichter" im Rahmen des gesetzlichen Strafrahmens urteilen kann, wie er das für richtig hält - er muss sein Urteil nur begründen und ggfs. mit einer Aufhebung rechnen. Ob der BGH nun irgendwelche Drei-Stufen-Theorien aufstellt oder nicht, interessiert den Amtsrichter erstmal herzlich wenig ... dessen Urteile landen sowieso nicht beim BGH (zur Erläuterung: gegen Urteile des Amtsgerichts gibt es nur die Berufung zum Landgericht und die Revision zum Oberlandesgericht, der BGH ist für Urteile des AG außerhalb jeglicher Reichweite).
    Und Urteile (jedes Richters) werden zu dem Strafmaß führen, das der/ die Richter als tat- und schuldangemessen empfinden, das ist nämlich (innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens) der Maßstab für eine Bestrafung.


    Urteile, wo bei einer Hinterziehungssumme von 2 Millionen Euro zwei Jahre auf Bewährung ausgeurteilt werden, kommen (in Zukunft) gar nicht zum BGH. Solche Urteile sind abgesprochen und werden rechtskräftig ... weil alle Beteiligten wissen, dass ein solches Urteil (in Zukunft) vom BGH aufgehoben werden wird und sie sich dann den ganzen Zinober hätten sparen können. Wenn die Vorstellungen von StA und Verteidiger oder Gericht und Verteidiger oder wem auch immer zu weit auseinander gehen, dann wird eben ohne Absprache (und dann aber auch ohne 2 Jahre zur Bewährung) durchverhandelt.


    Absprachen im Strafprozess sind m.E. auch nicht rechtsstaatlich bedenklich, sondern ausdrücklich von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerechtfertigt. Darüber hinaus ist juristisch eine "Absprache" oder ein "Deal" nur Ausfluß der gesetzlich normierten Strafzumessung (§ 46 StGB, das Nachtatverhalten, u.a. das Geständnis, haben Auswirkungen auf das Strafmaß). Im übrigen wünsche ich jedem, der sich über Absprachen aufregt, mal das "Vergnügen", den Versuch zu unternehmen, ein umfangreiches Wirtschaftsstrafverfahren mit - sagen wir mal - 250 Leitzordnern Akten zu je 250 Blatt aufzuklären ... und wer regt sich dann darüber auf, dass Strafverfahren über 3 Jahre mit insgesamt 150 Sitzungstagen Verschwendung von Steuergeldern sind?



    Im übrigen sind m.E. nicht die Strafmaße im Bereich der Vermögensdelikte das Problem, sondern im Bereich der Gewaltdelikte. Vergleicht man die Strafmaße für Körperverletzungen (auch üblerer Machart) mit dem Strafmaßen bei Diebstählen oder Betrügereien oder so, dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass Geld wichtiger ist als Leben oder Gesundheit ... aber das ist bereits in den gesetzlichen Strafrahmen angelegt und historisch bedingt.

  • Also soll auf ein ordentliches Verfahren verzichtet werden, nur weil Absprachen weniger zeitaufwendig sind?
    Zugunsten eines schnellen und bequemeren Verfahrens, soll auf die komplette Aufklärung der Tat verzichtet werden?
    Das halte ich für eine bedenkliche Sache (möge es auch juristisch korrekt sein), denn eine komplette Aufklärung sollte doch immer vor Gedanken der Prozesseffizienz Vorrang haben.

    Mit jedem wag ichs, dem ich kann ins Auge fassen.

  • Du hast mit solchen Verfahren noch nichts zu tun gehabt, oder?


    Wenn Du das alles 1:1 durchziehen willst, mußt Du Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie Steuerfahndung schätzungsweise um das zehnfache, eher fünfzigfache vergrößern. Dann haben wir bestimmt jeden Sachverhalt vollständig ermittelt.

  • Warum nicht, Arbeitslose gibt es ja genug! ;)


    Zusätzliche Stellen bei der Steuerfahndung und den Gerichten würden sich wohl zu einem beträchtlichen Teil selbst finanzieren, durch vermehrte Entdeckung und Verurteilung solcher Taten.
    Berufsbedingt siehst du das wohl anders. ;)
    Die Bagatelisierung solcher Taten und das Prahlen damit auf Partys ("Ich lasse schwarz arbeiten, Handwerker kann mann man sich ja nicht mehrl leisten!", "Ich habe das Kinderzimmer unsereres Sohnes als Arbeitszimmer abgesetzt!") geht mir schon lange auf den Zeiger. Von Unrechtsbewußtsein keine Spur, die Großkopferten wie Zumwinkel machen es ja auch und das wäre doch viel schlimmer.

    Mit jedem wag ichs, dem ich kann ins Auge fassen.

  • Zitat

    Original von Gottfried
    Auf welche Parties gehst Du auch?


    Scheinen irgendwelche Snobs zu sein, die sich regelmäßig selbst zum Geburtstag gratulieren...

    MfG Felix0711


    "Deshalb unterstütze ich mit vollstem Enthusiasmus ein Projekt, das abendländischen Humanismus mit moderner Technik verbindet – den Bau eines unterirdischen Doms!"
    Harald Schmidt

  • michel b., du scheinst ja der Vorzeigedeutsche schlechthin zu sein. Glückwunsch, so jemand wie dich wünscht sich so ein System wie das jetzige.

  • Ich möchte noch gerne wissen, welches Finanzamt noch Arbeitszimmer anerkennt. Ich würde sämtliche Mandanten anraten, dorthin umzuziehen. ;)

  • Diese Party und dieses Gespräch ist, zugegeben, schon einige Jahre her.


    War ein Lehrer. ;)

    Mit jedem wag ichs, dem ich kann ins Auge fassen.

  • Zitat

    Original von michel b.
    Diese Party und dieses Gespräch ist, zugegeben, schon einige Jahre her.


    War ein Lehrer. ;)


    Gefühlte 50% der höchstrichterlichen Rechtsprechung beschäftigen sich in Bezug auf Arbeitsmittel, Arbeitszimmer, Toskanareisen, Krokodilledertaschen und der Frankfurter Rundschau mit Klägern aus diesem Berufsstand... :)

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von michel b.
    Also soll auf ein ordentliches Verfahren verzichtet werden, nur weil Absprachen weniger zeitaufwendig sind?
    Zugunsten eines schnellen und bequemeren Verfahrens, soll auf die komplette Aufklärung der Tat verzichtet werden?


    Es findet ein ordentliches Verfahren statt ... Absprachen verschiedener Art und Güte sind Teil eines ordentlichen Verfahrens.


    Darüber hinaus ... wenn beispielsweise viele gleichartige Taten begangen wurden - nehmen wir 150 Betruge - dann wird für jeden Betrug eine Einzelstrafe gebildet und aus den Einzelstrafen eine Gesamtstrafe.


    Nehmen wir als Beispiel:


    150 Betruge - Einzelstrafe jeweils 1 Jahr Freiheitsstrafe. Dann wird aus 150x 1 Jahr eine Gesamtstrafe von - sagen wir - 12 Jahren gebildet. Dabei ändert es die 12jährige Gesamtstrafe keinen Deut, ob ich 150 oder 100 oder 50 Betruge verurteile ... dann ist es verfahrensökonomischer (und damit m.E. gesamtgesellschaftlich sinnvoller), von den 150 Betrugen 100 einzustellen und nicht weiter aufzuklären - um dann mit den restlichen 50 Betrugen die gleiche Gesamtstrafe bilden zu können wie wenn ich 150 Betruge aufgeklärt hätte ... und so etwas kann eben zB Teil einer Absprache sein.

  • Zitat

    Original von Teddy
    Absprachen im Strafprozess sind m.E. auch nicht rechtsstaatlich bedenklich, sondern ausdrücklich von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerechtfertigt. Darüber hinaus ist juristisch eine "Absprache" oder ein "Deal" nur Ausfluß der gesetzlich normierten Strafzumessung (§ 46 StGB, das Nachtatverhalten, u.a. das Geständnis, haben Auswirkungen auf das Strafmaß). Im übrigen wünsche ich jedem, der sich über Absprachen aufregt, mal das "Vergnügen", den Versuch zu unternehmen, ein umfangreiches Wirtschaftsstrafverfahren mit - sagen wir mal - 250 Leitzordnern Akten zu je 250 Blatt aufzuklären ... und wer regt sich dann darüber auf, dass Strafverfahren über 3 Jahre mit insgesamt 150 Sitzungstagen Verschwendung von Steuergeldern sind?


    Wäre mir neu dass der Deal in der StPO normiert wäre. Er ist von den Gerichten jahrzehntelang praktiziert worden, bis der BGH versucht gewisse Richtlinien vorzugeben. Dass in der Praxis sich kein Amtsrichter oder Staatsanwalt daran hält ist natürlich die andere Seite der Medaille. Eine Normierung steht soweit ich weiß immer noch aus.


    Es sieht doch so aus. Hat der Prozess zu viele Verhandlungstage, die Beweislage ist vielleicht dünn,der Sachverhalt ist vielleicht rechtlich schwierig so gibt es beim Deal meist einen sehr großen Rabatt. Bei dem Geständnis einer Straftat mit normalem Sachverhalt gibt es einen Rabatt in dieser Größenordnung nicht. Der Aufwand den das Gericht bis zu einer Verurteilung hat (Verschwendung von Steuergeldern) ist aber noch nicht in § 46 II StGB als Grundsatz der Strafzumessung normiert.



    Zitat

    Original von Teddy
    Im übrigen sind m.E. nicht die Strafmaße im Bereich der Vermögensdelikte das Problem, sondern im Bereich der Gewaltdelikte. Vergleicht man die Strafmaße für Körperverletzungen (auch üblerer Machart) mit dem Strafmaßen bei Diebstählen oder Betrügereien oder so, dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass Geld wichtiger ist als Leben oder Gesundheit ... aber das ist bereits in den gesetzlichen Strafrahmen angelegt und historisch bedingt.


    Sehe ich ähnlich.