Parallel zum Tagebuch (ja, wird noch fortgeführt) öffne ich mal den Thread für Trainerfüchse, die ihren Erfahrungsschatz mit uns teilen möchten. Mit über dreißig Jahren Erfahrung im Kinderhandball findet sich sicher das ein oder andere Thema, das ich mal anschneiden kann. Und ich hoffe, ich finde Nachahmer.
Was tun, wenn der Gegner hoffnungslos unterlegen ist?
Natürlich kenne ich beide Perspektiven. Mein erstes Spiel als Mädchentrainer in der C-Jugend ging 0:22 aus. In der D-Jugend habe ich aber auch schon 40:1 gewonnen (und mir alle Mühe gegeben, das Ergebnis moderat zu halten, s.u.). In der C-Jugend gab es in der Quali zur höchsten Liga auch mal ein 62:12. Da gab es mal keine Nachsicht. Die wollten mit den großen Fischen schwimmen, sie durften mal mit den großen Fischen schwimmen. Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen. Torrekord anstreben, "ganz normal" spielen, freiwillige Unterzahl, taktische Selbstbeschränkungen aus Mitleid, taktische Selbstbeschränkung aus sportlichen Motiven.
Die mit Abstand traurigste Variante habe ich mehrfach auf Verliererseite erlebt. Der Gegner führt haushoch, die Starspielerin (gerne mal die Trainertochter) spielt durch und darf bomben, bis der Arzt kommt, die Anfängerinnen bekommen nur moderate Spielzeit. Will mir bis heute nicht in den Kopf, was sich ein Trainer dabei denkt. Zum 40:1 oben. Nach etwa fünf Minuten nehme ich eine Feldspielerin vom Feld und spiele 5:6. Nach ein paar weiteren Angriffen spielen wir 4:6. Die Hälfte der ersten und die gesamte zweite Halbzeit spielen wir durchgängig 3:6 (wir konnten frei melden und hatten in der höchsten Liga gemeldet). Eine Zeitlang habe ich diese Variante propagiert, weil ich sie für einzig richtig hielt. "Ja... Du hast Recht. Wenn wir hoch führen, nehme ich nun auch einen Spieler vom Platz." "Du hast nichts verstanden!"
Ich habe auch schon von der Tribüne einmal ein freiwilliges 3:6 einer männlichen D sehen dürfen. Die drei Feldspieler mussten richtig arbeiten, der Trainer hatte so aus dem Spiel noch einen Nährwert geholt. Weil der Gegner schwach aber keine Anfängermannschaft war. Wir dagegen erlebten folgenden Effekt. Unsere Abwehr hatte nun riesige Lücken, der Gegner kam immer häufiger zum Torwürfchen, meine Torhüterin fing und wir erhöhten mit jeder Feldspielerin weniger unsere Gegenstoßfrequenz. Als nächstes Prellverbot. Torhüterin hält, spielt den Gegenstoßpass in die Mitte, Lotti macht 3 Schritte, will prellen, erinnert sich an das Verbot, springt ab, wirft aus 18m auf das Tor... trifft. Manche Schlachten kannst Du einfach nicht gewinnen. Das 40:1 wäre bei 6:6 nie zustande gekommen, denn so häufig, wie die unfreiwilligen Pässe auf unser Tor kamen, hätten wir gar nicht den Ball klauen können. Seither habe ich nie wieder freiwillig in Unterzahl gespielt, zumal viele Trainer einer Überzahldeckung keine Zuordnung geben (können) und man ihnen einen Bärendienst erweist. Hinzu kommen die albernen Arroganzvorwürfe. Aus sportlichen Gesichtspunkten vielleicht noch mal ja, niemals aber aus "Fairness". (Allerdings habe ich den Verdacht, dass mir die Verbände in ihrem Regulierungswahn längst in irgendwelchen Richtlinien eine freiwillige Unterzahl verboten haben, da ich so das Gebot der offensiven Deckung umgehen könnte.)
Taktische Aufgaben verteilen, um den Spielfluss zu drosseln und den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen. Meinetwegen. Endet aber schnell in der Veralberung des Gegners. Wir hatten jüngst mit der wD wieder das Dilemma, nach der großen Zwangspause hatte sich ein Gegner in die höchste Liga verirrt. Das Kistentor liegt bei uns bei 30, ich habe eine weitere Kiste (Bionade) ausgelobt, wenn alle Feldspielerinnen in beiden Halbzeiten je ein Tor werfen. Mit zwei E-Jugendlichen an Bord der D-Jugend ist das schon mal eine Aufgabe. Das Spiel endete moderat 29:12, die Challenge hielt die Mädels bei Laune (knapp verloren) und der Gegner wurde weder verkaspert noch gedemütigt.