Folgend versuche ich, dem unsachlichen Gemecker auf Facebook eine nüchterne Ursachenanalyse zur aktuellen sportlichen Situation entgegenzusetzen. Das geschieht in 2 Posts, da es hier offenbar ein Limit für 10.000 Zeichen gibt.
Um beim Punktegerangel auf dem Spielniveau, welches sich in der 2. HBL mittlerweile etabliert hat, mitmachen zu können, braucht eine Mannschaft auf jeder Position zwei annähernd gleichgute Spieler, die idealerweise, was ihre Stärken und Schwächen angeht, komplementär zueinander sind und somit dem Trainer die Grundlage dafür liefern, variabel - je nach Stärken und Schwächen des Gegners - handlungsfähig zu sein. Zum aktuellen Zeitpunkt verfügt der TuS Ferndorf über diese Komplementarität auf folgenden Positionen nicht: Torhüter (verletzungsbedingt), Rechtsaußen (verletzungsbedingt), Rückraum Mitte ((nicht nur) verletzungsbedingt), Rückraum Links (form- oder, aber das ist noch nicht final bewertbar, qualitätsbedingt). Also 4/7. Das sind schlichtweg zu viele. Dafür sind 5:5 Punkte mehr als ordentlich, aber die Gegner waren auch mehrheitlich noch keine Topteams.
Die Situation auf Rechtsaußen ist prekär. Man hat hier mit Eres einen der besten Spieler der Liga - aber ich halte aktuell bei jeder seiner Landungen die Luft an. Undenkbar welche Konsequenzen es hätte, wenn er ausfallen würde.
Die Situation im Tor ist nicht minder prekär. Man kann von einem Torhüter der 2. HBL nicht erwarten, dass er jedes Spiel eine Bombenleistung spielt. Leistungsschwankungen sind völlig normal, dafür gibt es ja das Gespann. Und man kann auch von unserem Co-Trainer nicht erwarten, dass er das benötigte "Auffangnetz" ist - obwohl er das bisher sensationell macht. Gegen Hagen war Adanir bombastisch, gestern war er abgemeldet. Eigentlich nicht weiter schlimm, aber dieser Umstand gerät umso mehr in den Fokus, wo eben kein Wilde bereitsteht, der es ausbügeln kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Torhüter dieser Güteklasse einen Grottentag haben ist deutlich geringer. Einer ist fast immer "mindestens okay". Aber wenn Adanir alleine ist, dann fallen seine Leistungen viel, viel mehr ins Gewicht, als sie es eigentlich sollten. Dann im Internet auf ihn einzutreten zeugt nicht davon, dass man weiß, wie ein Handballteam von innen funktioniert. Vielleicht fällt uns hier so ein bisschen auf die Füße, dass man nicht mit 3 Keepern in die Saison gegangen ist. Das wäre jetzt der ideale Zeitpunkt für einen jugen, hungrigen Perspektivtorwart, aus seiner Rolle als Nummer 3 heraus- und ins Rampenlicht zu treten. So muss eben der Co-Trainer aushelfen.
Die Situation auf Rückraum Links ist "angespannt". Bisher ist, entgegen aller, auch meiner, Erwartung, das Gespann "Hideg / Meyer-Siebert" ein deutlicher qualitativer Rückschritt zu "Hideg / Vignjevic / (Fanger)" aus der letzten Saison. Hideg ist noch nicht ganz so stark wie letzte Spielzeit, aber er muss auch signifikant mehr Verantwortung tragen, jetzt wo Fanger dort nicht mehr (neben Kevic) spielt. Das ist garantiert ein zusätzlicher Ballast an mentalem Druck und keine "rückschrittliche Entwicklung", wie es manche herbeifantasieren. Und was MS in den ersten 5 Saisonspielen "gezeigt" hat (7 Tore, 4 Assists, 35% Quote (!), 4 TF) ist rein gar nichts, womit er dieser Mannschaft weiterhilft. Auch hier kann man nicht von Hideg erwarten, dass er es alleine wuppt. Auch hier sind Leistungsschwankungen völlig normal. Wenn aber kein gleichwertiger Ersatz vorhanden ist, so knickt das Spiel jedes Mal, sobald Hideg eine schwächere Phase hat oder nicht auf der Platte steht - genau wie gestern nach der Halbzeit, als MS ein desaströses Potpourri aus Fehlpässen, Fehlwürfen, Fehlpositionierungen, Fehlentscheidungen und falschen Laufwegen dargeboten hat und das Angriffsspiel minütlich mehr entglitt. Seine einzigen beiden guten Szenen waren ein gezogenes Stürmerfoul und ein Kreisanspiel. Liegt es am Trainer, ihn bisher nicht genug integriert zu haben oder fehlt MS vielleicht doch einfach die Qualität? Jansen und Süsser hat Klatt jedenfalls mit ihren individuellen Stärken schon deutlich besser integriert bekommen. Kann man noch nicht final beantworten. Aber der desaströse Saisonstart von Meyer-Siebert, der sicherlich sogar als essenzieller Leistungsträger vor Hideg geplant war, bedingt den schwachen Gesamt-Saisonstart erheblich.
Und jetzt zur Mitte, der Hauptbaustelle (mal wieder, schaut man sich die Saisons des TuS vor Janko Kevic an). Fanger hat - als hätte er meine Wünsche erhört - einen signifikanten Schub gemacht: 16 Tore aus 2 Spielen seit meinem letzten Post. Aber er ist noch kein Stratege. Diese Aussage tut mir fast leid. Denn er ist ein bockstarker Handballer und ich halte, wie schon mehrfach betont, allerhöchste Stücke auf ihn. Was ihm fehlt, und dafür kann man ihm keinen Vorwurf machen denn er ist schlichtweg auch ein etwas anderer Spielertyp, ist die Fähigkeit des wortwörtlichen Inszenierens. Den Angriff so zu steuern, dass quasi "maschinell" immer wieder eine Kette an gefährlichen Entscheidungspositionen entsteht, in denen der Ball - sofern keine Entscheidung zum Tor / Kreisanspiel möglich ist - direkt zur Bedrohung der nächsten Sollbruchstelle gespielt werden kann, die dann mit der richtigen Mischung aus Abstand, Tempo und Anlauf im Sinne einer Kettenreaktion bedroht werden kann. Kevics Stärke war jenseits seiner eigenen Torgefahr und der Kreiskoop. genau dies, aber gerade in der 2. Saisonhälfte letztes Jahr hatten sich auch immer mehr Mannschaften auf diese seine Spielsteuerung, auf "unsere Angriffsketten" eingestellt und die Sequzenzen wurden zäher. Jetzt muss Fanger diese Rolle übernehmen und er muss es alleine tun, weil Schnabl quasi den gesamten Saisonstart fehlt. Da kann er nichts für, aber das ärgert mich ehrlich gesagt etwas - auch wenn ich weiß dass das unfair ist, denn Verletzung ist Verletzung. Aber wenn er jetzt an Spieltag 6/7 wieder dazukommt, fehlen ihm genau diese ersten Partien, um Spielchemie aufzubauen. Der 6./7. Spieltag ist dann erst sein zweiter. Und ob Schnabl in der Lage sein wird, diesen Mangel an Spielsteuerung auszugleichen? Im ersten Spiel war es jedenfalls nur bedingt der Fall, aber das war auch nur das erste Spiel. Von daher hat er "Schonfrist", die aber jetzt bis zu Spieltag 11-12 gehen wird, was mehr als suboptimal ist. Ich gehe auch nicht unbedingt mit, dass den Angriffen "Kreativität" fehlt, Handball ist letztlich kein Hexenwerk sondern prinzipiell immer gleich. Es fehlt viel eher "präzises Auf-den-Punkt-Spielen" in dem Sinne, dass wir immer wieder an vorher markierten Sollbruchstellen unsere Spieler in hochwertige Entscheidungsposition bringen - was impliziert, dass man sich die Deckung entsprechend zurecht gelegt hat. Und für dieses Auf-den-Punkt-Spielen ist Fanger einfach noch nicht der Spielertyp, aber wie gesagt ist das kein ernsthafter Vorwurf sondern eine Tatsachenanalyse. Er hat von meiner Seite aus alle Zeit der Welt, um diese Königsdisziplin des Handballs in sich weiterzuentwickeln. Bloß, er ist aktuell allein. Beispiel beim Gegner gestern: In der katastrophalen Phase nach der Pause schafft der TVG es mindestens 3x, die mit Sicherheit vorher ausgeguckte 2-3-Lücke (von RA gezählt) zu attackieren und Mundus dort zu isolieren. Genau das fehlt - als systematischer Prozess. Hier zeigt sich jetzt einfach, was für ein unfassbarer Handballer Kevic war und wie riesig die Lücke ist, die er gerissen hat. Nico Schnabl schön und gut, ich möchte ihn nicht kritisieren bevor er richtig angekommen ist, aber ob er diese Handball-Eleganz wie Kevic beisteuern können wird, die selbst nach 20 Spielen Videoanalyse durch die Gegner immernoch 13-14 Angriffe pro Spiel "nicht zu verteidigen" spätestens nach Stufe- Außen zum Abschluss geführt hat ...?