EDIT: Essen, Wallau, Schwerin, Berlin, Willstätt und
Werratal ohne Lizenz!
Der Übericht halber mache ich mal ein neues Thema auf, das spätestens ab morgen sicher rege genutzt werden wird.
Hier schon einmal ein - wie ich finde sehr gelungener Artikel - von Handball-World als Aufwärmprogramm!
ZitatAlles anzeigenEinmal werden wir noch wach ...
Morgen ist es angeblich so weit. Morgen, der 25. Mai, ein Tag, dem Handball-Deutschland entgegenzittert. Kein WM-Finale, kein Meisterschaftsendkampf, nicht einmal ein normales Bundesligaspiel findet morgen statt, es geht nur um Zahlen. Nicht diejenigen, die nötig sind, um den Lotto-Jackpot zu knacken, sondern um das Lizenzierungsverfahren Herren-Bundesliga zu bestehen, seit Jahren ein Verfahren, das den besten Stoff für Verfilmungen liefert. Spannend bis zum Schluß, Protagonisten am Abgrund, doch irgendwie findet sich immer wieder ein Happy End. Aber auch in diesem Jahr?
Regisseur in diesem Jahr ist Frank Bohmann, der bereits Anfang der Saison als Akteur von sich reden machte, indem er nach eigenen Angaben "vermasselte", ein für ihn haltloses, da nicht unterzeichnetes Fax mit der Benachrichtigung über die Beantragung eines Insolvenzverfahrens gegen den HSV Hamburg weiterzuleiten. Das Wort "Insolvenzverfahren" sollte in dieser Saison in den Hallen fortan häufiger verwendet, als die Bezeichnung "Kempa" und dürfte in keiner Nachbetrachtung dieser Saison fehlen. Als Handball-Fan reichte es in dieser Saison nicht, über Regeln, Wechselgerüchte oder Verletzungen Bescheid zu wissen. Um in der Halle oder in den Internetforen wirklich mitreden zu können, war Fachwissen im Insolvenz- und Arbeitsrecht nötig. Denn so bissig die Sache auch betrachtet werden kann, eins sollte nie vergessen werden: diese Saison war geprägt von Unsicherheit. Spieler, Trainer und deren Familien wussten oftmals nicht, ob das nächste Gehalt auf dem Konto eingehen würde und ob die ausstehenden Gehälter noch bezahlt werden würden. Zudem stellt sich die Frage nach der Abführung der Sozial-und Krankenkassenbeiträge, deren Versäumen für die Spieler schwerwiegende Folgen haben könnte. Ein Zustand, der sich nicht wiederholen darf.
Scharfes Z, weiches Verfahren
Der Fan hat in dieser Saison auch gelernt, dass es Lizenzierungsverfahren heißt und nicht Lizensierungsverfahren, scharfes "Z" statt weichem "S". In den letzten Jahren war von einem scharfen "Z" allerdings nur wenig zu sehen, es überwog zumeist die Milde. Noch unter der Führung des DHB war es damals zur so genannten "Lex Gummersbach" gekommen, mit der Selbständigkeit der Ligen bot sich dann die Chance eines Umbruchs. In der Frauenbundesliga wurde dieser gewagt, aufgrund zu spät eingereichter Unterlagen wurde dem Altmeister TV Lützellinden die Lizenz verweigert. Die HBL ließ diese Chance nicht nur verstreichen, mit dem Possenspiel um die Lizenzerteilung für den HSV erstieg man sogar neue Gipfel. Über ein halbes Dutzend Vereine der 1. und 2. Bundesliga der Herren befinden sich derzeit bereits im oder stehen kurz vor einem Insolvenzverfahren, wobei sich fast jeder dieser Vereine lange Zeit am Rande des Delikts der Insolvenzverschleppung befunden hat. Das Lizenzierungsverfahren - mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Vereine über eine Saison zu überprüfen - hat offensichtlich versagt.
Dies ist aus mehreren Gründen ärgerlich. Zum einen, kostet dieses Verfahren die Vereine eine nicht unerhebliche Summe. Wirtschaftsprüfungsunternehmen müssen beauftragt werden, um Jahresabschlüsse zu überprüfen und deren Richtigkeit zu testieren. Diese werden dann von einem von der Liga beauftragten Wirtschaftsprüfer erneut geprüft. Hier wird Geld ausgegeben, dass insbesondere so manchem Zweitligisten schmerzt. Dass die Vereine in ihren Unterlagen richtig addieren, subtrahieren und multiplizieren, sei hier unterstellt, nicht aber, dass die den Daten zu Grunde liegenden Verträge auch wirklich erfüllt werden. Am Beispiel von TuSEM Essen zeigte sich in dieser Saison, dass ein Verein durch ausbleibende Sponsorenzahlungen in eine finanzielle Schieflage geraten kann. Doch wer kann überprüfen, ob nicht Vereine diese Verträge von vorneherein eher optimistisch gestalten. Zuschauerzahlen, verkaufte Logen, ein Sponsor, der eine Absichtserklärung unterschreibt, damit der Verein die Lizenz bekommt, aber bereits vorher mit dem Verein besprochen hat, dass der tatsächliche Vertrag nur über die Hälfte laufen wird. Mittel und Wege scheinen beinahe unbeschränkt, um durch kleine "Korrekturen" die Rechnungen zum gewünschten Ergebnis zu führen. Dies will die HBL mit einer Betrachtung der letzten zehn Jahre überprüfen, eine Sicherheit, dass gerade dies in der folgenden Saison passiert, ist das aber nicht.
Zu schließen gilt aber vor allem eine in dieser Saison anscheinend mehrfach genutzte Lücke. Ein Verein tritt seine Lizenz an eine Spielbetriebs-GmbH ab, diese übernimmt sich, verpflichtet Spieler, die sie sich nicht leisten kann, bleibt Gehälter schuldig und geht insolvent. Das Insolvenzverfahren wird aber erst nach Saisonende eröffnet, der Verein hat die Lizenz zuvor zurückbekommen und beantragt mit einer neuen GmbH die Lizenz für die neue Saison. Der Klassenerhalt oder die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb wurde so mit einer Mannschaft sichergestellt, die über den Verhältnissen des Vereins lag und über mehrere Monate kein Geld bekommen hat. Neben den Spielern schauen hier auch die anderen Gläubiger in die Röhre. Aber auch die Mitkonkurrenten im Kampf um den Klassenverbleib oder auch die Meisterschaft werden dadurch benachteiligt. Für seriös wirtschaftende Vereine, die beispielsweise Altlasten aus einer schlecht gelaufenen Saison in der kommenden abzahlen, muß dies eine schallende Ohrfeige sein.
Die HBL mit ihrem Lizenzierungsverfahren hat gegenüber den Fans ihre Glaubwürdigkeit längst verloren. Eine Modifizierung der Richtlinien, so HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann in einem Interview mit N24, soll auf der Gesellschafterversammlung im Juni beschlossen werden. Die Frage ist aber, ob nicht der Ansatz des Verfahrens hinterfragt werden muß, anstatt durch einen weiter aufgeblähten Prüfungs- und Kontrollapparat die Kosten der Lizenzierung noch weiter zu steigern. Der Wetzlarer Manager Rainer Dotzauer hat einen - vielleicht zu einfachen - Vorschlag gemacht: als Grundlage sollen dabei die Spielergehälter dienen, die bei den meisten Vereinen mehr als 80 Prozent des Etats ausmachen. Werden die Spielergehälter nicht mehr gezahlt, hat der Verein Probleme, die Spieler müssten darüber die HBL in Kenntnis setzen, die so von den Problemen auch während der laufenden Saison informiert wäre.
Eine andere Möglichkeit ist die Forderung nach einer Bürgschaft, durch die bereits vor der Saison, beispielsweise 50 Prozent der zu zahlenden Spielergehälter oder eine fixe Summe "X", abgedeckt werden müssen. Damit wären zwei Vorteile verbunden, die Überprüfung der Wirtschaftsfähigkeit wird durch den Geber der Bürgschaft kontrolliert, der auch das Risiko trägt. Im Falle ausbleibender Gehälter würden die Spieler dies der HBL melden, die daraufhin die Bürgschaft ziehen kann, um aus deren Mittel die Spielergehälter weiter zu tragen. Durch diesen Schritt wäre sichergestellt, dass der Verein die Saison zu Ende spielt und die Spieler zumindest den Großteil des vereinbarten Gehalts erhalten. Die zwei zentralen Punkte des Lizenzierungsverfahrens wären erfüllt. Durch die Einlösung der Bürgschaft würde zudem das fehlerhafte Wirtschaften des Vereins bestraft, denn dieser dürfte die Bürgschaft für die kommende Saison nur mit Problemen erhalten, zudem könnte das "Ziehen" der Bürgschaft automatisch mit einem Punktabzug für die kommende Saison bestraft werden. Die HBL hätte nur noch den Eingang der Bürgschaft und die anderen formalen Punkte zu überprüfen.
Drei Lizenzverweigerungen?
Fakt ist, ein Vabanquespiel wie in dieser Saison, egal wie die Lizenzvergabe morgen ausfallen wird, schadet dem Handball und seiner Außendarstellung und darf sich nicht wiederholen. Die Beispiele Nordhorn und Gummersbach haben gezeigt, dass es aus Sicht der Liga durchaus manchmal von Vorteil sein kann, wenn Milde waltet. Doch ist dies auch gerecht? Es geht zu Lasten der kleinen Vereine, die dafür den Weg in die Zweitklassigkeit antreten müssen. Auf der anderen Seite verdichten sich die Anzeichen, dass die HBL in dieser Saison hart durchgreift. Mit Wallau, Essen und Schwerin soll angeblich gleich drei Vereinen die Lizenz verweigert werden. Traditionsvereine stehen vor dem Aus, das ist die andere Seite der Medaille und dürfte nicht nur bei den Fans dieser Vereine für Trauer sorgen. Doch dies ist noch alles mit "wenn" und "eventuell" versehene Zukunftsmusik, morgen, morgen ist es soweit, morgen wissen wir mehr, denn ...
Einmal werden wir noch wach, heißa, dann ist Lizenzvergabetag...
Christian Ciemalla (24.05.2005)