ZitatAlles anzeigen"Crash"-Gefahr entschärfen
Regelwerk. HSG Tarp-Wanderup setzt ab 1. Januar 2008 freiwillig ein Zeichen und schränkt die Bewegungsfreiheit ihrer Torhüter ein.
TARP. Wenn es darum geht eine Lanze für die Gesundheit der Sportler zu brechen, beschreitet die HSG Tarp-Wanderup neue Wege.
Die Treenehandballer haben alle Torhüter ihrer kompletten Jugend-Abteilung angewiesen, nur dann ihren Torraum verlassen zu dürfen, wenn sich ihre eigene Mannschaft in Ballbesitz befindet.
Hintergrund dieser freiwilligen Maßnahme und Zweckbestimmung dieser bundesweit einmaligen Initiative ist es in erster Linie ein unkontrolliertes und folgenschweres Zusammenstoßen eines Torhüters mit einem Gegenspieler beim Gegenstoß zu vermeiden. Alle 14 Jugend-Teams der HSG werden ab dem 1. Januar 2008 nach dem "neuen" Regelwerk spielen.
Sportler-Schutz
"Wir wollen den Sportler schützen und nehmen dafür auch mögliche Nachteile in Kauf", erklärte Olaf Worm. Der Handball-Jugendwart der HSG war spontan bereit die Idee von Vereins-Schiedsrichter Björn Schmidt aufzugreifen, um den ungewöhnlichen Vorstoß zu realisieren.
Breite Unterstützung leistete auch der vereinseigene Sporttrainer Jürgen Bauer und gemeinsam trieb dieses Trio den kühnen Plan voran. "Es wäre ein Traum, wenn andere Vereine mitmachen würden", sagt Schmidt.
Abseits des Spielfeldes werden die Initiatoren auch über die Verbandsebene mit einem offiziellen Antrag an einer entsprechenden Ergänzung der umstrittenden Regel 5 der "Internationalen Handball-Förderation" arbeiten.
Gänsehaut-Szene
Jeder Handballer kennt dieses berüchtigte Szene: Bei einem Konter sprintet der Angreifer in Windeseile in die gegnerische Hälfte, erwartet im vollen Lauf das gezielte Anspiel und hat dabei den Blick nach hinten gerichtet.
Der gegnerische Torhüter hingegen will diesen Angriff unterbinden, sprintet aus seinem Torraum heraus dem Ball und Gegenspieler entgegen und es kommt zu einem nicht selten schweren Zusammenprall. Die Folgen sind fast immer kleinere Verletzungen, nicht selten passieren aber auch schwerwiegende Schädigungen, die in der Spitze sogar Lebensgefahr für den Sportler bedeuten können.
Sport-Unfall
Plakativstes Beispiel für diese Art von "Sport-Unfall" verkörpert wohl der Schwede Johan Petterson, der ehemalige Profi-Handballer des THW Kiel.
Am 30. November 2001 im Auswärtsspiel gegen den VfL Gumersbach in der Köln-Arena stieß der Linkshänder mit VfL-Keeper Jan Stankiewicz zusammen und konnte nur mühsam und denkbar knapp vor einer lebensbedrohlichen Situation bewahrt werden.
Der anschließende Versuch des THW Kiel sowie vorherige und nachfolgende Bemühungen, das Regelwerk entsprechend zu ändern, um diese "Horror-Szenarien" ein für alle Mal aus allen Handball-Hallen zu verbannen, schlugen bislang fehl.
Reine Ergänzung
Im Sinne von "das muss doch endlich aufhören" hofft jetzt die HSG mit ihrem Vorstoß mehr Erfolg zu haben.
Björn Schmidt ist jedenfalls davon überzeugt, den passenden Schlüssel für die Regel-Änderung gefunden zu haben. "Wahrscheinlich forderten alle bisherigen Anträge, dass der Torwart generell seinen Torraum nicht mehr verlassen darf. Das hätte allerdings auch zur Folge, dass es nicht mehr möglich wäre, mit einem siebten Feldspieler zu agieren. Darum fordern wir nur den Passus, dass er nur dann seinen Torraum verlassen darf, wenn seine eigene Mannschaft in Ballbesitz ist. So bleiben alle Angriffs-Optionen gewahrt."
Denn außer Frage steht ganz eindeutig - alle Handballer der Welt würden diese Regel-Ergänzung sicherlich sehr begrüßen.
Volker Metzger www.flensborg-avis.de
ZitatAlles anzeigenTarp / pm
„Das ist die Situation, die ich im Spiel am meisten fürchte“, so umschreibt der Jugendwart der HSG Tarp-Wanderup und Betreuer einer Jugendmannschaft seine Gefühlslage. Er erklärt die Situation, wenn bei einem schnellen Gegenangriff Torwart und Angriffsspieler zusammen prallen. Ab 1. Januar werden bei allen Jugendmannschaften der HSG die Torleute in einer freiwilligen Aktion ihren Torraum nicht mehr verlassen, wenn der Ball beim Gegner ist.
Genau diese Situation mit Zusammenprall und Verletzung hat sich beim letzten Spiel seiner Mannschaft ereignet. „Unsere Mannschaft verwarf den Ball, der gegnerische Torwart passte zum Gegenstoß laufenden Mitspieler. Dieser schaute zurück zum Ball und prallte auf den Torwart. Beide Spieler verletzten sich“, erinnert sich Olaf Worm mit Grauen.
Nun kam der arme Schiedsrichter ins Spiel: Der eine Betreuer forderte die Rote Karte, eine Disqualifikation also, für den Torwart, weil dieser den Gegenspieler ja kommen sah und ausweichen konnte. Der andere Trainer forderte einen Freiwurf für seinen Torwart, weil es sich hier um ein Stürmerfoul gehandelt habe. Keine Situation ist so knifflig zu bewerten, zu entscheiden und so verletzungsgefährlich wie diese.
Die Regel beim Handballspiel besagt, dass derjenige, der seinen Platz eingenommen hat, im Recht ist. Also steht der Torwart und der Gegenspieler rennt gegen ihn, ist auf Stürmerfoul zu entscheiden. Bewegt sich der Torwart zum Ball, um diesen ab zu fangen, und prallt dann mit dem Gegenspieler zusammen, wird die Sache schwierig. „Das interessiert uns alles nicht, wenn sich die Spieler schwer verletzen“, so die Betreuer und Trainer der HSG Tarp-Wanderup.
Sie werden ab 1. Januar freiwillig darauf verzichten, dass der Torwart den Torraum verlässt, wenn der Gegner im Ballbesitz ist. „Wir wollen damit unsere und die gegnerischen Spieler schützen“, so Olaf Worm. Den Stein ins rollen brachte der Regionalligaschiedsrichter Björn Schmidt. „Ich erinnere mich noch an ein Spiel des THW Kiel in der Kölnarena. Dort stieß der Spieler Johann Pettersson mit dem gegnerischen Torwart zusammen, verschluckte die Zunge“. Glücklicherweise war ein Arzt vor Ort, so dass Pettersson überlebte.
Auch der hauptamtliche Sportlehrer mit sehr langer Trainererfahrung im Handballbereich Jürgen Bauer wird seine Jugendmannschaften anweisen, entsprechend zu spielen. Der Traum aller 14 HSG-Jugendteams wäre, wenn sich auch andere Vereine diesem Vorgehen anschließen. Zu Jahresbeginn soll ein Antrag über den Kreishandballverband, den Landesverband und weiter gestellt werden, dass diese Regel 5 weltweit in diesem Sinne verändert wird. Das Problem „siebter Spieler“, hier wird der Torwart durch einen Spieler ersetzt, lässt sich lösen, indem der Torwart den Torraum nur verlassen darf, wenn die eigene Mannschaft in Ballbesitz ist. Verliert die Mannschaft den Ball, darf sich der Torwart nur noch rückwärts zum eigenen Tor hin bewegen.
Quelle: Peter Mai www.shz.de