Harter Tobak...
Die Corona-Zeit hat hierzulande die, sagen wir, "Rechtskultur" der Handballverbände gehörig erschüttert. Unter dem Deckmantel der Pandemie sind vorgesehene Durchführungsbestimmungen gar nicht erlassen worden oder viele Verbandsentscheidungen sind ohne Rechtsgrundlage getroffen worden. Ausnahmesituation - und pragmatische Lösungen haben ja auch was. Nun normalisiert sich der Alltag wieder. Oder doch nicht?
Kleiner Rückblick: In Niedersachsen hat es jahrzehntelange Tradition, dass in der Qualifikation der Jugend A bis C die "großen" Vereine im männlichen Jugendbereich die erste Mannschaft losgeschickt haben, um die jeweils zweite Mannschaft durch die Qualifikation zu schießen, falls die Zwote es in der Vorsaison nicht aus eigener Kraft geschafft hatte (ich werfe auch bewusst nicht mehr den ersten Stein). Ein stilles Gemurre gab es schon, die Staffelleiter haben das Spielchen aber stets geduldet. Hier in der Handballecke ließ sich mal aufklären, dass das - damals - nach der Spielordnung gar nicht möglich war. Wer in einem der ersten beiden Saisonspiele (Quali gehört zur neuen Saison) in der Zwoten spielte, durfte dann erst im dritten Spiel der Ersten eingreifen. Dutzende Meisterschaften hätten umgewertet werden müssen, daher ließ man wohl einst meinen aufklärenden Brief an den hiesigen Landesverband verschwinden und irgendwann war das Festspielen ohnehin abgeändert und verschlankt worden. Das grundlegende fair play Problem blieb jedoch bestehen.
2023 hat der Handballverband Niedersachsen/Bremen eine elegante Lösung gefunden. In den Durchführungsbestimmungen zur Quali heißt es nun in Ziff. 3 c) Absatz 2:
Sofern eine zweite Mannschaft der gleichen Altersklasse gemeldet wird und an der Relegation teilnehmen muss, muss auch die erste Mannschaft an der Relegation für die Spielklasse teilnehmen, für die aufgrund der Platzierung der Saison 2022/23 ein Startrecht besteht.
1. und 2. Mannschaft können sich durch eine bestimmte Platzierung in der alten Saison für einen festen Startplatz für die neue Saison qualifizieren. Schafft aber die zweite Mannschaft dies nicht oder wird neu zur Quali gemeldet, reißt sie auch die 1. Mannschaft mit in die Quali. Und damit dann fair play gewahrt wird, darf während der Quali kein Personalwechsel zwischen beiden Teams erfolgen. Salomonische Lösung.
Nun geht es aber los. Es gibt wesentlich mehr Meldungen zur Quali als letzte Saison. Lästig. Also verteilt der Verband Dutzende wild cards und belässt an sich nicht qualifizierten Teams ihren Startplatz. Gekniffen sind die Mannschaften, die "von unten" hochrücken wollen, versteckt in der breiten Masse der Qualifikationsgruppen.
Damit aber nicht genug. In einer Quali-Gruppe zur Landesliga der B-Jugend findet sich der MTV R. 2, die Mannschaft MTV R. 1 sucht man aber in den beiden Quali-Gruppen zur höheren Oberliga/Verbandsliga-Vorrunde vergeblich. Nach o.g. Regel aus den Durchführungsbestimmungen denklogisch ausgeschlossen. Wir forschen nach, R. hat zwei B-Jugend Mannschaften Landesliga und höher gemeldet. Auf den Einwand, es müsse sich um einen Fehler handeln, in der LL Quali-Gruppe könne es sich ja nur um MTV R. 1 handeln:
"... prinzipiell habt ihr recht, aber wegen des besonderen Modus in der WB gibt es für die Erste keine passende Relegation für die OL. Daher spielt hier nur die Landesliga-Mannschaft Relegation. Ich hoffe auf ihre sportliche Fairness, hier auch wirklich jene Spielerinnen einzusetzen, die dann auch nächste Saison LL Spiele bestreiten sollen. Aber ich kann das natürlich nicht vorschreiben."
Merkwürdig, unter Ziff. 1 (Durchführung) zur Qualifikation heißt es
b. Die Jugendspielklassen des HVNB sind in der Saison 2023/24 wie folgt gegliedert:
Jugend Spielklassen
B-Jugend 1. Oberliga, 2 Verbandsligen, 4 Landesligen
Unter 3 c) Abs. 1 Dfb heißt es weiter, in der OL, VL und LL darf jeweils nur eine Mannschaft eines Vereins teilnehmen. Wenn MTV R. 2 die Quali zur LL spielt, kann MTV R. 1 ausschließlich OL oder VL spielen. Laut nuLiga gibt es zwei Quali-Gruppen für die wB OL/VL, die dem stellv. Jugendspielwart aber gar nicht bekannt zu sein scheinen ("... gibt es für die Erste keine passende Relegation für die OL."). Mal keine Amnesie unterstellt, verschließt man bewusst die Augen vor den Tatsachen. Und auch dazu findet sich irgendwo eine Regelung:
§ 14a Rechtsordnung DHB [Manipulation, Bestechung, Prävention]
(1) Wer den Verlauf oder das Ergebnis eines Spiels und/oder eines sportlichen Wettbewerbs durch unbefugte Einflussnahme, eine vorsätzlich falsche Entscheidung oder eine vorsätzliche Benachteiligung beeinflusst, wird mit einer Sperre bis zu vier Jahren und/oder einer Geldstrafe bis zu 10.000 € bestraft.
Was wird also passieren? Verein R. steht vor der Wahl, die Quali der zweiten Mannschaft auch mit dem Kader der zweiten Mannschaft zu bestreiten oder - ohne Konsequenzen befürchten zu müssen - die bestmögliche Mannschaft aufbieten, was nach den Durchführungsbestimmungen eigentlich zu 100% ausgeschlossen ist. ("Ich hoffe auf ihre sportliche Fairness, hier auch wirklich jene Spielerinnen einzusetzen, die dann auch nächste Saison LL Spiele bestreiten sollen.") Sportliche Fairness oder der Weg des geringsten Widerstands und die sichere Quali? Die übrigen vier Mannschaften der Quali-Gruppe werden es merken.
Und vor einigen Jahren hätte ich den Beitrag hier beendet, mit etwas Altersweisheit geht es aber weiter:
Die elegante Lösung wäre so einfach. In der zurückliegenden Saison ist die B-Jugend des MTV R. Dritter der Verbandsliga geworden, hat sich damit für die Vorrunde zur B-Jugend Oberliga/Verbandsliga 23/24 qualifiziert. Die C-Jugend wiederum ist Meister der Landesliga geworden, hat ebenfalls ein Startrecht in der Vorrunde Oberliga/Verbandsliga B-Jugend (darf dies nicht ausüben, die Erste ist ja schon drin), während Platz 2 und 3 ein Startrecht in der Landesliga B-Jugend wahrnehmen könnten. Dem Startrecht in der höheren Vorrunde zur Oberliga/Verbandsliga der zweiten Mannschaft ist doch immanent das Startrecht in der Landesliga. Nimmt man nun MTV R. 2 als für die LL gesetzt an, zieht sie aus der Quali raus, wäre der Gerechtigkeit genüge getan. (Was diese Lösung letztlich ausbremsen könnte, habe ich gesehen, gelobe aber Stillschweigen. Würde aber auch sonst niemandem auffallen.)