Nicolej Krickau kritisiert Regeln im deutschen Jugend-Handball

  • "Ich habe jetzt etwa zehn Spiele in der E- und D-Jugend gesehen und dabei nicht einen Schlagwurf, nicht einen Wackler, nicht einen Pass an den Kreis gesehen", so Nicolej Krickau mit Blick auf die Regeln im Nachwuchsbereich in Deutschland. Was sagt ihr, müssten die Vorgaben geändert werden oder überwiegen die Vorteile?


    ausführlicher Text:
    ➡️ https://www.handball-world.new…n-jugend-handball-1001377

  • Hatte ich an anderer Stelle schon geschrieben, kopiere es hier (passend zum Thema) einmal rein:


    Ja, sehr interessant und für mich hervorragend nachvollziehbar, da wir selbst betroffen sind.

    Unser Sohn (C-Jugend) spielt in seiner Mannschaft - immerhin SH-Liga - am Kreis. Leider entwickelt er sich offensiv kaum weiter, da von seinem Trainer nur das Sperrestellen gewünscht und trainiert wird. Wie er sich als offensiver Spieler verhalten und freilaufen muss, wird überhaupt nicht trainiert, weil es nicht gewünscht ist. Ebenso wenig wie Anspiele vom Rückraum an den Kreis.

    Das finde ich sehr schade, denn da wird auch in dieser Altersklasse viel Potential liegen gelassen…

    EINMAL FLENSBURG - IMMER FLENSBURG!!!

  • Zitat

    "Ich habe jetzt etwa zehn Spiele in der E- und D-Jugend gesehen und dabei nicht einen Schlagwurf, nicht einen Wackler, nicht einen Pass an den Kreis gesehen"

    Wurde mir brühwarm vor einigen Tagen von einem Freund zugeschickt. "Schick ihn zu mir!", war meine Antwort.


    Ostern werde ich wieder den Deutsch-Skandinavischen Vergleich haben. Wir bereiten uns akribisch darauf vor. Was mir die Skandinavier in der wD-Jugend in der Breite zeigen, haut mich in der Regel nicht aus den Socken. Was dann aber von der D zur C hin passiert, kann ich mir rational nicht erklären. Vor vielen Jahren war ich mit einer wD im rein deutschen Endspiel in Esbjerg. Die Finalisten hatten jeweils auf dem Weg ins Finale einmal zu kämpfen, ansonsten war es ein Spaziergang. Ein Jahr später in der C-Jugend, das Peeke-Handicap mal außen vor, hätten wir auch in Bestbesetzung keine Schnitte mehr gesehen.


    Ich finde unseren Ansatz, in der Theorie, dass wir vor allem den Ball erobern wollen, den deutlich attraktiveren Kinderhandball. Wird nur leider zu wenig umgesetzt, es mangelt an Trainern. Zum skandinavischen Ansatz habe ich nur Halbwissen gesammelt. "Alle sollen Ballkontakt haben", hab ich mal gelesen. "Passgeschwindigkeit als Ziel" finde ich ja nicht verkehrt, in der D-Jugend aber vielleicht nicht DAS Ziel. Und wenn nun zunehmend 1:1 sogar in der Bundesliga in den Vordergrund gestellt wird, dann kann der Ansatz, die Kinder durch offensive Deckung möglichst häufig ins 1:1 zu zwingen, ja nicht so verkehrt sein.


    Ich predige es aber seit Jahren: "Trainer ausbilden statt neue Regeln zu erfinden!" Was hilft mir der an sich gute Ansatz mit der offensiven Deckung, wenn es niemand umsetzen kann? Entweder verschiebt sich die Fleichmauer um drei Meter nach vorn oder wir erleben die Klammeraffendeckung. Ich feiere schöne Ballgewinne von der Bank aus, von den Tribünen hallt überall bei Kinderspielen das Geblöke: "FESTMACHEN!" ohne Sinn und Verstand.


    Das Alles schreibe ich old school in ein Forum, bin aber nicht bei tiktok. Hmmmm....

    The bastards hung me in the spring of '25.

    But I am still alive!

  • Ich sehe das differenziert. Eins gegen eins gibt's im skandinavischen Kinderhandball auch, vielleicht sogar gleich oft, nur eben näher am Tor. Auf jeden Fall wird mehr über Passqualität gelöst, aber das ist ja auch eine Sache, die Dänemark und Schweden in den Männern so erfolgreich macht. Offensiv scheinen durch die skandinavische Variante mehr "Zocker" mit vielseitigen Skills entstehen zu können. Defensiv sehe ich große Probleme im aktiven verteidigen. Ich habe letzten Sommer die 2006er Nationalmannschaft Schweden gegen Spanien gesehen, das war ein Offenbarungseid, wie die Schweden gegen die offensive spanische Abwehr gespielt haben. Ist ja auch logisch - sie lernen nie das aktive Verteidigen.

    Womit ich wieder den Bogen zu Zickenbändiger schlagen kann. Das ist eine Frage der Trainerqualität. Sowohl aktives Verteidigen als auch zocken im Angriff kann man wahrscheinlich in beiden Abwehrformationen lernen. Das eine ist beim einen leichter und das andere beim anderen. Die Trainer müssen es aber auch vermitteln.

    Königsweg: eine Halbzeit offensive Abwehr, eine Halbzeit freigestellt?

    Ich lasse Kiddies beim Training gerne auch einfach mal sechs Null decken. Nur um zu sehen wie sie sich anstellen und was entsteht. Interessant übrigens auch auf Kleinfeld zu spielen im Training, da ist ja automatisch defensive Abwehr. Probiert es doch gerne mal aus!

  • Bruder im Geiste...


    Für immer erster deutscher Championsleaguesieger!


    Magdeburg ist Handball, Handball ist Magdeburg. So ist das! (J.Abati)

  • Zitat

    Eins gegen eins gibt's im skandinavischen Kinderhandball auch, vielleicht sogar gleich oft, nur eben näher am Tor.

    In der Theorie. Ich bin großer Fan des Ballklauens. Wenn ich dürfte, also eine Halbzeit offensiv, eine Halbzeit freie Wahl, wäre ich vielleicht schon so weit, dass ich die zweite Hälfte in der Tat auch mit D-Jugendlichen 6:0 spielen würde. Aber dann die aktivste 6:0, die man bei den Zwergen weit und breit je gesehen hat. Traue ich mir nach über dreißig Jahren Erfahrung auch ohne jegliche Praxis zu, eine Zwergen-6:0 zu entwickeln, die Spaß macht. In der Zwischenzeit habe ich aber noch genug Baustellen.


    Mit einer so aktiven 6:0 gäbe es tatsächlich auch viele Zweikämpfe. In der Praxis aber habe ich in Dänemark noch keine faszinierende aktive defensive Deckung gesehen. Und deswegen finde ich unseren Ansatz besser/attraktiver, auch wenn ich schon mal eine deutsche Mannschaft in Dänemark bewundern durfte, die einen technisch stärkeren Gegner zur Verzweiflung getrieben hat, indem sie sich ab der Mittellinie von vorne, von hinten, von der Seite an die Ballführerin wie menschliche Rucksäcke drangehängt haben. Der Schieri war vollkommen überfordert, ich habe mich zu Tode geschämt.


    Zitat
    Auf jeden Fall wird mehr über Passqualität gelöst, aber das ist ja auch eine Sache, die Dänemark und Schweden in den Männern so erfolgreich macht.

    Passqualität kann nie schaden. Aber... ich behaupte mal, in der Breite lässt sich die Passqualität in der D-Jugend nur begrenzt ausschöpfen. Ab der C-Jugend wird das Thema für mich erst so richtig spannend. Daher würde ich in der D bei anderen Schwerpunkten bleiben, wie eben 1:1, was sich ganz prima mit 11 oder 12 erlernen lässt. Bis einschließlich D offensiv die gesamte Spielzeit, ab der C nur eine Halbzeit und die zweite Hälfte frei. Wenn wir schon schön Deutsch beim Regulieren sind. Das halbe Spiel mal deregulieren! Meine Prognose wäre dann aber: Dadurch steigern wir Vielseitigkeit des Angriffs, die Abwehr wird schlichtweg faul. Weit und breit ist 6:0 in der B-Jugend eine Ausruhdeckung, wenn der Trainer keine Ahnung hat.


    Zitat

    Ich lasse Kiddies beim Training gerne auch einfach mal sechs Null decken.

    Wird der nächste Schritt im "Skandinavientraining" zur Vorbereitung auf den Rödspätte Cup. Allerdings rein zielgerichtet für das Angriffstraining im 4:4. Wenn ich im Spiel nicht 6:0 spielen darf, wecke ich keine schlafenden Hunde. "Das ist aber deutlich weniger anstrengend!" :lol:

    The bastards hung me in the spring of '25.

    But I am still alive!

  • Große Zustimmung. Bis auf bei einem Punkt. Auch bei einer D-Jugend lässt sich die Passqualität auf ein anderes Level heben. In Lund oder Partille hatte ich schon öfter mal den Eindruck, skandinavische D-Jugend Teams spielen von der Art und Weise her einen vergleichbaren Handball wie deutsche A-Jugend Teams.

  • Ihr dürft meinen beschränkten Horizont nicht vergessen. Dass ich diese Saison größtenteils mit gemischter Trainingsgruppe trainiert habe, ansonsten ausschließlich Mädchen durch die Halle scheuche, schränkt meinen Erfahrungsschatz eben auf das komplexe Geschlecht ein. Ich kann mir eine Spitzenmannschaft männliche D schon gut mit zügigem Positionsspiel bei hoher Passgeschwindigkeit vorstellen. Allerdings schrieb ich mit Absicht auch von "in der Breite". Im Einzelfall kann ich mit einer Ausnahmemannschaft natürlich auch in jeder Altersklasse vorgreifen.

    The bastards hung me in the spring of '25.

    But I am still alive!

  • "Ich habe jetzt etwa zehn Spiele in der E- und D-Jugend gesehen und dabei nicht einen Schlagwurf, nicht einen Wackler, nicht einen Pass an den Kreis gesehen", so Nicolej Krickau mit Blick auf die Regeln im Nachwuchsbereich in Deutschland. Was sagt ihr, müssten die Vorgaben geändert werden oder überwiegen die Vorteile?


    ausführlicher Text:
    ➡️ https://www.handball-world.new…n-jugend-handball-1001377

    10 Spiele sind nichts. Ich hab bestimmt 100 E und D Jugendspiele in den letzten 3 Jahren gesehen.


    Schlagwürfe sind selten, aber sie gibt es. Meist halt von haus aus kräftigen Spielern. Der Rest hat da einfach noch nicht die Kraft dazu, auch wenn die Technik ok ist.


    Wackler eher selten, dafür sind die Spieler oft zu weit weggehalten vom 6-9m Kreis, dafür gibt es viele Pass-und Körpertäuschungen.


    Pass an den Kreis. Extrem oft, das bedeutet sogar, dass die guten Kreisläufer zu den Toptorjägern in der D zählen, wenn sie von passstarken Rückraumleuten gefüttert werden.


    Also vom Ansatz her gehe ich mit Krickau mit, aber er hat def. zu wenig Spiele gesehen, merkt man an seinen Aussagen, die decken sich nicht ganz mit meinen Spielbeobachtungen.

  • Spannende Diskussion hier! Ich finde, Krickaus Beobachtungen sind ein echter Denkanstoß. Klar, Technik ist mega wichtig, aber Handball ist doch mehr als nur Schlagwürfe und Kreispässe, oder? Vielleicht sollten wir mehr auf abwechslungsreiches Training setzen, das nicht nur die Skills, sondern auch die Spielfreude und Cleverness pusht.

    Und ja, top Trainer sind das A und O! Die müssen nicht nur die Technik rüberbringen, sondern auch die Begeisterung fürs Spiel. Vielleicht könnten wir uns ein paar Tricks von den Skandinaviern abschauen, ohne gleich alles über den Haufen zu werfen. Immerhin, von anderen lernen heißt ja nicht kopieren, sondern inspirieren lassen!

  • Ich bin ja nachwievor dafür, in jungen Jahren das Handball SPIELEN beizubringen anstatt das Handball VERHINDERN. Wenn ich letztens wieder an unser E-Jugend-Spiel denke, wie oft der gegnerische Trainer "Festmachen!" oder "Fest!!!" reinbrüllt und die Eltern feiern, wenn sie den Klammeraffen, Rucksack o. einfaches Umreißen sehen, wenn abseits des Balles schon mit Kneifen, Ellenbogen usw. gearbeitet wird, dann läuft eben irgendetwas m.E. komplett falsch.


    Für immer erster deutscher Championsleaguesieger!


    Magdeburg ist Handball, Handball ist Magdeburg. So ist das! (J.Abati)

  • Ich bin ja nachwievor dafür, in jungen Jahren das Handball SPIELEN beizubringen anstatt das Handball VERHINDERN. Wenn ich letztens wieder an unser E-Jugend-Spiel denke, wie oft der gegnerische Trainer "Festmachen!" oder "Fest!!!" reinbrüllt und die Eltern feiern, wenn sie den Klammeraffen, Rucksack o. einfaches Umreißen sehen, wenn abseits des Balles schon mit Kneifen, Ellenbogen usw. gearbeitet wird, dann läuft eben irgendetwas m.E. komplett falsch.

    In welcher Region Deutschlands kommt sowas noch vor :/


    Das war bei uns vor ca. 10 Jahren noch so ja, mittlerweile läuft ne Gegenbewegung, die das völlig kontaktlose Spiel fordert und pflegt in dieser Altersklasse. Das ist dann auch wieder nicht das Gelbe vom Ei. In D scheint es nur noch Schwarz Weiß Denke zu geben. :sleeping:

  • In welcher Region Deutschlands kommt sowas noch vor :/


    Das war bei uns vor ca. 10 Jahren noch so ja, mittlerweile läuft ne Gegenbewegung, die das völlig kontaktlose Spiel fordert und pflegt in dieser Altersklasse. Das ist dann auch wieder nicht das Gelbe vom Ei. In D scheint es nur noch Schwarz Weiß Denke zu geben. :sleeping:

    Ja. Oft liegt die Wahrheit im Grauen. Klar müssen die Kids auch lernen was festmachen ist und Co. Aber prinzipiell sollten SIe aber lernen wie man Handball spielt. Und das ist eben nicht nur das Festmachen. Das sollte die letzte Option sein. Viel lässt sich mit guter Beinarbeit, Wahrnehmung, was kann kommen und Co viel besser lösen.

  • E-Jugend kann ich mir gar nicht mehr angucken. Lange Vorkämpfer für 2x3:3 gewesen. Mit der Strafauswechselung für Torschützen kann ich ja nicht mal mehr Talente sichten. Die spielen ja immer nur wenige Sekunden in der Angriffshälfte.


    Und seit Jahren im Übrigen in der E-Jgd. die Abwehr zu >95% damit befasst, NICHT den Ball zu erobern, bzw. ihn NICHT mit TAUGLICHEN Mitteln zu erobern. Und dabei ist alles dafür ausgerichtet, UM den Ball zu erobern. Den bekomme ich aber unmöglich, wenn


    - der Gegner im 2-Pässe-Takt einen Freiwurf bekommt,

    - die Abwehr Bauch-an-Bauch mit der Ballführerin steht, hüpft und dabei quiekt,

    - die Abwehr keine Zuordnung hat und von der Bank nur Schweigen kommt,

    - nur der gefasste Ball, nie - mit Plan - der gepasste/geprellte Ball angegriffen wird.


    Auf der Bank regelmäßig sehr, sehr weise Menschen. "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold". Ich würde die Trinkflasche das gesamte Spiel in der Hand behalten müssen, nur um die Stimme zu bewahren, allein um die Zuordnung einzufordern. Und wenn sie einmal da ist, dann die Mädels auf drei Schritte Abstand zur Ballführerin prügeln, damit der Gegner brav VOR der Abwehrspielerin prellen kann. Sehe ich nirgends korrekt. Und der einzige E-Jugend Trainer weit und breit, der Mädels was beibringt, gewinnt 49:2, 47:3, 4:43. Ohne Multiplikator. Hätte ich schon gar keine Lust, in der Altersklasse überhaupt aktiv zu werden.


    Edith sagt: Hallenverbot für alle Irren, sei es auf der Tribüne oder der Bank, die in der E "Festmachen!" blöken! Flache Hand zur Prellschulter, notfalls zur anderen Schulter. Mehr Körperkontakt gibt es nicht.

    The bastards hung me in the spring of '25.

    But I am still alive!

  • Ja. Oft liegt die Wahrheit im Grauen. Klar müssen die Kids auch lernen was festmachen ist und Co. Aber prinzipiell sollten SIe aber lernen wie man Handball spielt. Und das ist eben nicht nur das Festmachen. Das sollte die letzte Option sein. Viel lässt sich mit guter Beinarbeit, Wahrnehmung, was kann kommen und Co viel besser lösen.

    Tja für viele ist hohe Abwehrkunst halt das Festmachen, das kriegste nicht aus den Köpfen...

Anzeige