Ist zwar etwas Offtopic aber ich habe einen wie ich finde sehr guten und richtigen Kommentar zum Ewerthon Transfer aber auch bisschen was allgemeines bei gefunden:
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Brasilia Dortmund – Abgesang auf eine Utopie
(Arne) Als am Wochenende Ewerthons Wechsel nach Saragossa bekannt wurde, war dies nur scheinbar ein ganz normaler Spielertransfer. Vielmehr besitzt der Weggang des „Sambaflohs“ eine Symbolkraft, die möglicherweise noch größer ist als der wirtschaftliche Zwang oder die vermeintliche sportliche Schwächung. Mit der Abwanderung der Nummer 12 scheint auch das brasilianische Kapitel bei der Borussia für lange Zeit beendet.
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„Brasilia Dortmund“ – in seinem zwanghaften Wahn nach ebenso einprägsamen wie dümmlichen Schlagworten hatte Deutschlands Witzblatt Nummer 1 dem BVB noch vor nicht allzu langer Zeit eine neue Nationalität verpasst. Und der Name, das muss man zugeben, war so unverdient nicht, standen mit Dede, Evanilson, Amoroso, Ewerthon, Conceicao und Thiago doch zeitweise sechs Kicker vom Zuckerhut bei der Borussia unter Vertrag. Doch die Zeiten ändern sich und wohl selten ist eine Ära so schnell beendet gewesen wie die brasilianische Vorherrschaft in der Borussenelf. Ein Spieler nach dem anderen hat die Borussia seither verlassen und nachdem nun auch Ewerthon aus der „Samba-WG“ ausgezogen ist, hält Dede – wie zu Beginn seiner Zeit in Dortmund – wieder als einziger die grüngelbe Fahne hoch. Eine Entwicklung, die wohl wie kaum eine zweite sinnbildlich für das Entstehen und Zerplatzen schwatzgelber Utopien zur Jahrtausendwende, steht.
Brasilianische Fußballspieler sind hipp in Europa. Jeder Fußballklub, der ein bisschen etwas auf sich hält, hat dieser Tage mindestens einen von ihnen unter Vertrag, und Fußballkommentatoren in Radio und TV geraten praktisch nur noch dann so richtig in Ekstase, wenn ein Samba-Spieler mit knuffigem Spitznamen gegen den Ball tritt. Das hatte irgendwann auch die alte BVB-Führung um Niebaum und Meier spitz bekommen. Und weil sich diese beiden Herren nach anfänglichen Erfolgen schnell in exzessiven Kaufrausch steigerten, folgten auf den ersten BVB-Brasilianer, Julio Cesar, erst Dede und anschließend eine ganze Reihe mehr oder weniger talentierter, zumeist aber wenigstens teurer Neuverpflichtungen aus dem Land am Amazonas. Der Anspruch der Borussia als europäisches Spitzenteam sollte durch all diese Südamerikaner gefestigt werden – ein recht verbreitetes Paradoxon.
Doch das glückliche Händchen, das die BVB-Spitze mit Cesar und Dede gehabt hatte, bewiesen sie bei praktisch keinem der weiteren Kicker, und es steht zu befürchten, dass der Wunsch nach klangvollen Namen bei diesen Verpflichtungen Vorrang vor intensivem Scouting besaß. Denn während die beiden Pioniere sich perfekt in das Dortmunder Spielsystem und die hiesige Spielkultur integrierten und ihrerseits das Team bereichern konnten, scheiterten die Nachfolger allesamt mehr oder weniger an dem Spagat zwischen brasilianischem Hacke-Spitze-Eins-Zwei-Drei und geforderter disziplinierter Spieltaktik.
Es ist müßig, darüber zu spekulieren, was im Einzelfall schief gelaufen ist und wie klug die Transfers von Evanilson, Amoroso, Ewerthon, Flavio, Leandro, Everaldo Batista und Thiago seinerzeit gewesen sind. Darum soll es hier auch nicht gehen. Vielmehr stand „Brasilia Dortmund“ als Sinnbild für die Niebaumschen Utopien und der Verkauf des vorletzten Brasilianers macht deutlich, dass die Zeit der vermeintlichen schwatzgelben Spitzenstellung in Deutschland und Europa endgültig vorbei ist. Einzig Dede, der es ohnehin wie kaum ein zweiter vermag, angeblich deutsche Tugenden wie Einsatzbereitschaft und Kampf mit brasilianischen wie Spielwitz und Technik zu vereinen, ist noch übrig geblieben. Statt mit klangvollen Namen eine entsprechende Erwartungshaltung heraufzubeschwören, kehrt die Borussia mehr und mehr auf den Boden der Tatsachen zurück. Borussia im Jahr 2005, das ist eine Mannschaft, mit der man sich auf der Tribüne stehend wieder mehr identifizieren kann, weil sich auch die Spieler mehr mit dem Verein identifizieren.
Und doch lauert in der Rückkehr zum Boden eine Gefahr, denn bislang ist nur schwer einzuschätzen, wie hart der Aufprall nach dem steilen Höhenflug wohl sein mag. Zu glauben, dass Jugendspieler und Amateure den Wegfall gestandener Profis ohne Substanzverlust kompensieren können, wäre weltfremd.
Trotzdem besteht die reelle Hoffnung, dass in Dortmund wieder eine Mannschaft entsteht, deren Spieler sich nicht als virtuose Solisten, sondern als Teil eines großen Ganzen betrachten. Ein Team, das in erster Linie Einsatzbereitschaft zeigt und dem man ansieht, dass ihm der Verein am Herzen liegt.
Wenn der ein oder andere in dieser Elf dann auch noch „brasilianisch“ spielt, soll es uns umso mehr Recht sein.
Quelle: http://www.schwatzgelb.de