Die Dänen, der Karrikaturenstreit und der fassungslose Blick nach Süden

  • Erst habe ich es ja nicht glauben wollen, dass wegen der Karrikaturen tatsächlich die islamische Welt hoch geht wie Schmitz Katze. Aber die "Proteste" eskalieren täglich. Unfassbar.


    Die "Welt " hat die Karrikaturen in Deutschland veröffentlicht und als aufgeklärter Demokrat kann ich nur sagen: sehr gelungene Darstellung, die die friedlichen Moslems durchaus zum Nachdenken anregen könnte. Denn Fakt ist seit diesen Angriffen auf die USA im September 2001, dass der Islam immer mehr als Terror-Religion wahrgenommen wird. (Dass unsere Freunde aus Übersee an der Entwicklung nicht unschuldig sind, braucht man hier nicht zu debattieren, auch das ist ja eine Tatsache).


    Diese Karrikaturen sagen nichts anderes aus: Im Namen des Islam wird gebombt und getötet. Und nun fühlt sich der gesamte Nahe Osten zu Tode beleidgit. Übrigens der Nahe Osten, der alle Nicht-Moslems einfach mal so als Ungläubige abstempelt (was man ja nun auch als tiefe Beleidigung der religiösen Gefühle betrachten darf).


    Und nun hat der Iran also sämtliche Handelsbeziehungen zu Dänemark eingestellt. Morgen sind wahrscheinlich wir dran. Dann sollten wir dem aber schleunigst zuvorkommen.


    Ich bin unfassbar wütend über diese Entwicklung. Diese Betonköpfe, die sich da als Rädelsführer aufspielen und Hass predigen, reissen nicht nur eine Weltreligion in den Dreck, sie sorgen dafür, dass unseren moslemischen Nachbarn hier in Deutschland mit Mißtrauen begegnet wird.


    Ich neige ja eigentlich nicht zu radikalen Ideen, aber derzeit würde ich vorschlagen, dass zunächst alle Europäer den Nahen Osten verlassen, wir sämtliche Lieferungen groß mit einer dänischen oder europäischen Fahne versehen und auf die Rücklieferung warten. DHL kann das sicher locker organisieren. Meinetwegen kann die Ware auch gleich hier bleiben. Es gibt ja eh keine Rückladung.


    Jedenfalls ist für mich absolut nicht nachvollziehbar, was da gerade abläuft. Ich habe auch keine Lust, mich mit dieser Kultur auseinanderzusetzen. Dass in London "Demonstranten" öffentlich zum Abschlachten des Karrikaturisten aufrufen dürfen ohne dafür vor Gericht zu landen, ist ein Skandal sondergleichen. Und nun soll sich ein ba-wü Minister auch noch dafür entschuldigen, dass er gesagt hat, wer glaube, dass das Grundgesetz und der Koran nicht vereinbar seien, möge sich bitte eine Fahrkarte kaufen. Ja, hallo? Ich glaube, dass der Koran mit meinen Lebensgrundsätzen nicht vereinbar ist. Meine Konsequenz: ich lebe in einem weitgehend nicht-moslemischen Land, wo der Koran eben keine Rolle spielt. Somit habe ich keine Schmerzen mit den hier vorherrschenden Gesetzen und gesellschaftlichen Regeln.


    Mannmannmann, was ist das für ein beschissenes Jahrtausend

    Im Vergleich zu Serdarusic muss man sich Elefanten als vergessliche, etwas schusselige Tiere vorstellen. (Süddeutsche Zeitung v. 10.2.09)

  • Du vergisst zwei Dinge.


    Erstens, dass die Religion in den muslimisch geprägten Ländern eine völlig andere Rolle spielt als bei uns und die Menschen dort in religiösen Dingen wesentlich ernsthafter sind als wir, und somit auch viel leichter zu verletzen. Zumal zählen die Ideale der Aufklärung, die uns prägen, dort nicht viel. Das kann man gut finden oder nicht, es ist aber so, und man weiss es. Und man kann es dementsprechend auch berücksichtigen.
    Zweitens übersiehst Du, dass die Karikaturen eines der schwersten Tabus des Islam brechen : Sie stellen Mohammad dar. Die bildliche Darstellung des Propheten (bzw. seines Gesichts) und Allahs sind im Islam strengstens verboten. Diese Unverträglichkeit war ein Grund für den Abriss der Buddha-Statuen in Afghanistan durch die Taliban (auch wenn ein Buddha kein Gott ist).


    Wenn die ohnehin sündige Darstellung dann noch so geschmacklos ist wie die mit dem Bombenturban, dann ist die Reaktion absehbar.


    Die meisten Muslime haben vermutlich auch die Schnauze voll davon, alle Nase lang als Terroristen und Bombenleger denunziert zu werden. Ich habe als Deutscher auch keinen Bock, ständig als Nazi bezeichnet zu werden. Denn ich bin keiner und ich habe damit auch nichts zu tun. Und das trifft im Bezug auf Terror auch auf die allermeisten Muslime, in Deutschland und anderswo, zu.


    Ich verteidige die Ausschreitungen keineswegs, das ist auch in meinen Augen in keinem Fall die angemessene Reaktion auf ein paar Zeichnungen (die die meisten Randalierer ja noch nicht mal gesehen haben, da sie dort nicht veröffentlicht werden dürfen), aber man hätte -aus oben ausgeführten Gründen- darauf kommen können, dass so etwas passieren wird, auch unter dem Aspekt, dass das Pulverfass schon etwas länger kocht. Ich fürchte, diese Sache war der Auslöser für etwas, das uns konkret noch lange beschäftigen wird. Das ist nicht das Ende, es geht gerade erst los.


    Im Übrigen haben sich die dänischen Redakteure nach den Gesetzen ihres eigenen Landes strafbar gemacht, denn in Dänemark gibt es ein Gesetz, das Blasphemie - betreffs aller in Dänemark zugelassenen Religionen, wozu auch der Islam gehört - unter Strafe stellt. (In Deutschland übrigens auch, §166 StGB, hier allerdings nur, wenn der "öffentliche Friede" dadurch gestört wird. Das ist ja im vorliegenden Fall durchaus tauglich...)


    Der Minister Stächele in Baden-Württemberg betreibt gefährliche Rattenfänger-Polemik. Im Kern der Sache hat er zwar recht - wer gegen die Verfassung ist, soll bitteschön woanders hin gehen - aber er bezieht sich auf eine Umfrage (!), nach der satte 21% aller Muslime in Deutschland ein Problem mit dem Grundgesetz hätten. Das wäre also etwa jeder fünfte. Mit der Nennung dieser Zahl, die niemals seriös nachzuprüfen ist, schürt er ohnehin vorhandene Ressentiments gegen Muslime, von denen nach meiner Überzeugung und meinen Erfahrungen die allermeisten hier lebenden absolut kein Problem mit Verfassung oder Gesetz haben. Selbst wenn es 21% wären, hiesse das im Umkehrschluss ja immernoch, dass 79% - also eine satte Mehrheit - mit der Verfassung einverstanden sind. Warum sagt er es nicht so herum ? Das Ganze passt bildlich hervorragend zu der unsäglichen Fragebogenaktion in BW. Diese Linie ist bei der Union allerdings nichts neues, Herr Koch betreibt das Spiel in Hessen ja schon seit Jahren.


    Und daran, dass Iran mit uns keinen Handel treiben will, finde ich absolut nichts negatives. Erstaunlich ist da eher, dass wir bisher mit denen noch Handel treiben.


    Mit dem beschissenen Jahrtausend gebe ich dir Recht, aber als Trost : etwa 95% davon werden wir beide nicht mehr erleben.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Hereticus
    Zweitens übersiehst Du, dass die Karikaturen eines der schwersten Tabus des Islam brechen : Sie stellen Mohammad dar. Die bildliche Darstellung des Propheten (bzw. seines Gesichts) und Allahs sind im Islam strengstens verboten. Diese Unverträglichkeit war ein Grund für den Abriss der Buddha-Statuen in Afghanistan durch die Taliban (auch wenn ein Buddha kein Gott ist).


    In Ordnung! Ab sofort werden in der "westlichen Welt" keine Rindersteaks mehr gegessen, um nicht die Gefühle der 1,1 Milliarden Inder, denen diese Tiere heilig sind, zu verletzen!


    Ich kann nachvollziehen, dass ein gläubiger Moslem aufgrund der Zeichnungen beleidigt ist. Nur: Auch er muss differenzieren und so viele gibt es davon nun auch wieder nicht. Gefährlich ist die Handvoll Aufwiegler, die die Massen wegen solcher "Anlässe" mobilisiert, anstiftet und für ihre Zwecke missbraucht.


    Da hilft wahrscheinlich nur Druck aus den eigenen Reihen, wenn die besonnenen Leute mit Einfluss zur Gelassenheit mahnen und diesen Terror verurteilen.


    Ich habe leider das ungute Gefühl, dass im Moment zu viele Leute nach Krieg schreien. Hüben wie drüben.

  • Mein Gott, was für ein Theater wegen Karikaturen. Wenn sich jeder Katkolik derart aufspielen würde, wenn der Papst lächerlich gemacht wird, müsste z.B. diese unsägliche "Stunksitzung" schon längst gestürmt worden sein. Genauso die Redaktionen von Satiremagazinen wie Titanic, die immer wieder über den christlichen Glauben spotten. Oder diese Comedysendungen bei RTL oder SAT 1, wo auch immer wieder die Christen verspottet werden. In unsereren Breiten tun wir dies aber nicht, weil wir mit unserem Glauben souveräner umgehen. Der Vorwurf, diese Bilder wären Blasphemie, also Gotteslästerung, trifft meines Erachtens nicht zu. Schließlich ist Allah der Gott des Islams und nicht Mohammed, der ist Prophet.Über Allah wird aber in den Karikaturen nichts ausgesagt.
    Es ist richtig, dass es im Islam verboten ist, den Propheten bildlich darzustellen. Aber müssen sich daran auch Nichtmuslime halten? Als Katholik esse ich Freitags kein Fleisch, ich kann aber doch nicht verlangen, dass sich auch ein Atheist daran hält.
    Ich habe einen Bericht gesehen, in dem Karikaturen arabischer Zeitungen gezeigt wurden, diese sind oft übelst antisemitisch (etwa wie im "Stürmer"). Wo bleibt da der Respekt gegen andere Religionen?
    Wenn der Westen hier einknickt und seine Werte wie Pressefreiheit relativiert, werden wir in einigen Jahren vom Islam regiert.

    Mit jedem wag ichs, dem ich kann ins Auge fassen.


  • war spät gestern?


    du kannst deinen fassungslosen blick auch nach westen richten, ins land der unbegrenzten möglichkeiten. dort saßen dutzende zensoren bereit, um bei den skandalo-rockern namens rolling stones die zensurschere in gang zu setzen, um die gefühle der puritanischen us-bürger nicht zu verletzen. schließlich handelte es sich um ein erz-amerikanisches event namens super-bowl.


    die kultur, die du da gerade scharf attackierst, hat übrigens - wie überraschend - mehrere facetten. es gibt genauso wenig einen islam wie es eine koranauslegung gibt. gleiches gilt, wie obiges beispiel verdeutlichen sollte, auch für das christentum und die auf diesem basierenden staatsordungen. wenn du dich wirklich für den islam interessierst, dann beschäftige dich damit. eine interessante aufgabe - du wirst sehr schnell feststellen, dass weite teile des werkes weit toleranter und offener sind als du es erwarten würdest.
    ganz im sinne der extremisten (sic, deshalb bezeichnet man die so) ist dann eine gleichsetzung des extremen mit der kultur - wenn es die überhaupt gibt. das extremisten in der welt diese gelegenheit nutzen, um ihre sache voran zu treiben, hat viele gründe. einer der nachgeordnesten ist die verletztheit der religiösen gefühle dieser menschen.


    das in london menschen geschützt durch eine liberale staats- und rechtsordnung die möglichkeit erhalten, gegen gerade diese zu protrestieren, ist eine der großen errungenschaften unserer kultur. wir können uns auch darauf verständigen, das rad wieder zurückzudrehen. schwarz und weiß ist ja uch viel einfacher. und wir wissen ja, wer die brunnen vergiftet und die kinder isst.


    natürlich muss ein minister in bawü eine klarstellung machen. ich erwarte von einem politiker anders als vom michel, dass er den unterschied zwischen schwarz und weiß kennt. und nicht dummes zeug schwätzt um simple furchtszenarios zu bedienen. eine der wichtigsten regeln in diesem unserem land ist die tatsache, dass denken und glauben frei sind (sein sollen, schöne theorie). das beinhaltet auch andersdenkende und -glaubende. solange niemand gegen gesetze verstößt, ist es ein bruch der verfassung, die ich gelesen habe, menschen wegen ihres glaubens zu diskriminieren. um es noch mal zu sagen - der koran / islam ist nicht mahmud ahmadinedschad.

  • Ich finde diese Diskussionen immer sehr interessant.


    Ich kann von mir behaupten mich sehr mit diesen Themen auseinander zu setzten. Ich habe eine muslimische Kollegin und wir sprechen sehr häufig über diese Themen. Sie lebt hier und ist für mich ein Vorbild für die "anderen" Muslimen. Auch sie verurteilt aufs schärfste diese extremistischen Handlungen.


    Und genau das ist das Thema! Man sollte nun nicht den Fehler machen, alle über einen Kamm zu scheren. Was da gerade passiert ist überrieben und auch für viele Muslime nicht nachvollziehbar.


    Es gibt jedoch in diesen Ländern eine leicht zu beeinflussende Masse. Wieso und warum ist wohl das zu klärende Problem. Was macht Leute anfällig für große Hass-Reden und solche Aufstände?


    Ich kann mir nicht vorstellen, dass all diese Menschen von sich aus, so aufgebracht wären. Dazu hat es einige Anführer gebraucht, die Stimmung für ihre Sache gemacht haben.


    Auch ich ärger mich über Menschen, die hier leben und sich dann über unsere Kultur beschweren. Toleranz ja - aber eine gewisse Akzeptanz der hiesigen Gewohnheiten kann ich erwarten, wenn jemand hier leben will (dazu zählt für mich in aller erster Linie das erlernen "unserer" Sprache) Doch das ist nicht der Grund für die aktuellen Ausschreitungen.


    Wie jetzt mit dieser Situation umzugehen ist, ist für mich ein sehr zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite MUSS man diese Reaktionen verurteilen, aber auf der anderen Seite würde ein hartes Vorgehen wieder in die Hände der Extremisten arbeiten, die weitere Nahrung für ihre Hassreden bekämen und eventuell weitere, noch stärkere Ausschreitungen wären die Folge. Was also tun??? Ich habe keine Lösung, bin aber auch zum Glück nicht in der Position eine solche präsentieren zu müssen.


  • Mentalitätsproblem gepaart mit "Nichts aus der Geschichte lernen"


    Auch wir, die dem christlichen Glauben angehören, haben uns in unserer Geschichte nicht immer mit Ruhm bekleckert. Die Kreuzzüge, die Eroberung der "Neuen Welt" und die Konquistion sind mit dem heutigen "normalen" Menschenverstand nicht begreifbar.


    Ich bin mal gespannt, wo das alles noch hinführen wird. Es ist schon lange zu ruhig gewesen :rolleyes: :nein:


    EDIT: Ups, Quelle http://www.stimme.de vergessen!


    Lieber WM-Fünfter als Vize-Weltmeister im eigenen Land


    Einmal editiert, zuletzt von eisbeer ()

  • [quote]Original von härter_schneller




    das in london menschen geschützt durch eine liberale staats- und rechtsordnung die möglichkeit erhalten, gegen gerade diese zu protrestieren, ist eine der großen errungenschaften unserer kultur. wir können uns auch darauf verständigen, das rad wieder zurückzudrehen. schwarz und weiß ist ja uch viel einfacher. und wir wissen ja, wer die brunnen vergiftet und die kinder isst. Der öffentliche Aufruf zum Mord ist aber auch in einer liberalen Staats-und Rechtsordnung strafbar.


    ich erwarte von einem politiker anders als vom michel, dass er den unterschied zwischen schwarz und weiß kennt. und nicht dummes zeug schwätzt um simple furchtszenarios zu bedienen. Wenn du damit mich meinst, dann bitte ich darum, dass du dich mit meinem Beitrag auseinandersetzst und ihn nicht pauschal als dumms Zeug bezeichnest. Aber generell ist es wohl einfacher eine Meinung abzuqualifizieren, als zu diskuttieren.
    Dieses schwarz-weiß denken könnte ich auch dir vorwerfen, nämlich dass die Gefahr die durch radikale Vertreter des Islams im Moment ausgeht, von dir beschönigt wird.]

    Mit jedem wag ichs, dem ich kann ins Auge fassen.

  • Zitat

    Übrigens der Nahe Osten, der alle Nicht-Moslems einfach mal so als Ungläubige abstempelt (was man ja nun auch als tiefe Beleidigung der religiösen Gefühle betrachten darf).


    Kennen wir das nicht irgendwoher? Ist es nicht so, dass das Christentum lange Zeit eine "Terror-Religion" war und alles, was nicht "christlich" war, als "ungläubig" abgestempelt hat?


    Bei einigen "christlichen" Fundamentalisten (Stichwort "Wiedergeborene") ist das sogar heute noch so, dass andere Religionen als "minderwertig" betrachtet werden. Bei den meisten anderen Christen bzw. Europäern hat schließlich die "Aufklärung" im 18. Jahrhundert zu einem Umdenken geführt und zugleich die Religion als wichtigstes Gut im Leben der Menschen zurückgedrängt. Deshalb reagieren wir auf die Proteste gegen die Mohammed-Karikaturen heute mit Unverständnis. Wir sind im Stande, uns über unsere Religion zu amüsieren, der Islam ist so weit noch nicht. Die Aufklärung ist eine europäisches Zeitalter, es hat im Islam damals nicht / kaum stattgefunden und steht noch bevor (meine These).


    Aber zurück zu meinen Eingangsfragen... Ich erinnere mal an die Kreuzzüge, die die vor knapp tausend Jahren religiös motiviert stattgefunden haben und von der katholischen Kirche gefördert wurden, um die heiligen Stätten der Christenheit (z.B. Jerusalem) zu "befreien". Dabei kam es über Jahrhunderte zu blutigen Massakern, religiös motiviert, wie gesagt. Die Kreuzzüge wurden immer mehr zu einem Instrument reiner Machtpolitik des heiligen Stuhls.


    In dieser Phase des "Kreuzzugs" scheint der Islam gerade zu sein, nur dass das bei denen (viel treffender) "Heiliger Krieg" heißt. Viele islamische Staaten werden immer noch von autoritären Regimes geführt (wie früher in Europa, ideale Grundlage!) und die Religion hat für die Menschen eine große Bedeutung, weil sie sonst nicht viel haben. Die Religion wird von vielen Menschen in diesen Ländern extrem ernst genommen und ist das höchste Gut überhaupt. Dadurch sind die Leute viel besser empfänglich für religiöse Hetzer (wie früher in Europa) und eine Reaktion wie die auf die dänischen Karikaturen wird verständlich.


    Immerhin gibt es einige aufgeklärte islamische Staaten (z.B. die Türkei), aber es scheint derzeit nicht so zu sein, dass diese Länder genug Einfluss auf die eher fundamentalislamischen Länder haben. Nur: Aufklärung funktioniert nicht, wie von Bush propagiert, durch Krieg und Zerstörung und auch nicht durch die Kürzung von EU-Fördergeldern. Aufklärung funktioniert mit Worten (und zwar nicht mit Worten von Hasspredigern.). Und sie braucht ihre Zeit... Der Islam ist dem Christentum so dermaßen ähnlich, dass ich fest daran glaube, dass der Islam die Phase des Heiligen Kriegs auch irgendwann überwinden wird. Allerdings wüsste ich gerne, wie man diesen Prozess beschleunigen könnte.

    MfG Felix0711


    "Deshalb unterstütze ich mit vollstem Enthusiasmus ein Projekt, das abendländischen Humanismus mit moderner Technik verbindet – den Bau eines unterirdischen Doms!"
    Harald Schmidt

    Einmal editiert, zuletzt von Felix0711 ()

  • Ich finde diese Diskussion mal wieder - typisch deutsch? Anstatt sich Gedanken zu machen über die Radikalen im islamistischen Raum werden hier die Ursünden des Christentums ausgegraben und reflexhaft mal wieder mit dem Finger nach Übersee gedeutet, obwohl George Dabbelju ja für vieles, aber nicht diesen Konflikt verantwortlich zu machen ist.


    Ich stelle mir nur gerade vor, wie ich im Gazastreifen die weiße Fahne schwenke, auf den Knien hin- und herrrutsche und um Verzeihung für all das flehe. Mal daran gedacht, daß ich bei diesem Mob dann nicht nur als Ungläubiger, sondern auch noch als Feigling angesehen werde, was meine Überlebenschancen nicht gerade verbessert. Und der berufsbetroffene Ströbele zum Beispiel pupst hier durch die Fernseestudios, anstatt dort unten rumzudiskutieren, wenn EU-Gebäude niedergebrannt werden.


    Ein bißchen weniger Terrorverstehung wäre manchmal doch sehr angebracht.

  • Es ist sehr interessant, wie kontrovers hier diskutiert wird. Ich finde mich selber in den meisten Meinungen zum Teil wieder.


    Die Empörung der Islamisten kann ich gut nachvollziehen, verstehen kann ich sie als Aussenstehender selbstverständlich nicht, da ich nicht diese Einstellung zur Religion habe. Aus dieser Geschichte aber einen Aufruf zur Gewalt abzuleiten, geht eindeutig zu weit. Man erwartet Respekt und zeigt auf der anderen Seite null Toleranz. Das ist zumindestens nicht mein Verständnis von einem gesunden Miteinander.


    Mein Wunsch: Die Initiatoren der Karikaturen sollen sich in aller Form entschuldigen. Und damit sollte die Sache dann gegessen sein.

  • Die Dänen haben sich bereits entschuldigt und zwar offiziell.


    Was da abgeht, gehört zum üblichen Ritual der Fundamentalisten. Da werden ein paar Bergbauern in die Städte gekarrt und dann wird demonstriert. Lief im Iran genauso ab und scheint auch dort wieder in Mode zu kommen.


    Es ist einfach der Ausdruck der Unzufriedenheit mit den Lebensbedingungen, nicht nur im Islam, auch andere Religionen sammeln die meisten Gläubigen dort, wo das Elend am größten ist.
    Sie stellen aber nicht die Mehrheit.
    Die meisten Menschen in den arabischen Staaten haben diese ewigen Hetz- und Hasstiraden längst satt, egal gegen wen sie gerichtet sind.


    Im Namen Gottes lässt sich halt vieles rechtfertigen.


    Die Türkei als aufgeklärten Staat bezüglich der Religion zu bezeichnen, halte ich für gewagt. Noch heute wenden die männlichen Christen jeden nur erdenklichen Trick an, um nicht zur Armee zu müssen. Dort droht ihnen nämlich die Zwangsbeschneidung und das mit Wissen der Regierung. So laizistisch, wie sie sich gern gibt, ist die Türkei dann doch nicht.

  • Zitat

    Original von Gottfried
    Anstatt sich Gedanken zu machen über die Radikalen im islamistischen Raum werden hier die Ursünden des Christentums ausgegraben und reflexhaft mal wieder mit dem Finger nach Übersee gedeutet, obwohl George Dabbelju ja für vieles, aber nicht diesen Konflikt verantwortlich zu machen ist.


    Nun ja, um den Aufruhr zu verstehen muß man sich doch wohl in die Lage derer versetzen, die jetzt Zeter und Mordio schreien. Und in diesem Zusammenhang finde ich die Ausführungen von Felix0711 höchst zutreffend: Es gab auch in der abendländischen Tradition eine Zeit, in der die Menschen christlichen Glaubens nur allzu bereitwillig auf jede noch so kleine Provokation (selbst wenn es gar keine gab) Andersgläubiger reagiert haben - und das sicher nicht mit den erhobenen Zeigefinger. Inzwischen sind wir weiter (abgerückt von unserer Religion) als die Menschen in den islamischen Ländern. Das Problem sind nämlich nicht die Radikalen dort (die gibts auch hier), sondern die, die ihnen folgen!


    Der Kardinalfehler ist m.E., unsere Maßstäbe an andere Kulturen zu legen und bei Abweichungen zu verurteilen. Das wäre in etwa so, als würde ich einen Wal und einen Elephanten vergleichen - beide groß, beide Säugetiere - aber es dürfte schwierig werden, dem Elephanten das Tauchen beizubringen.


    Im übrigen ist es zwar nicht hilfreich, aber immerhin nicht ganz aus dem Kontext gerissen, "mit dem Finger nach Übersee" zu deuten. Denn dort wurde der sogenannte "Kampf der Kulturen" mit dem Überfall auf den Irak in die heiße Phase katapultiert. Man stelle sich vor, Frankreich wäre vom Iran besetzt, Deutschland und Großbritannien würden von Marionettenregierungen von Hisbollah's Gnaden geführt und in Spanien hätten sich Saudis einquartiert, weil sie da schließlich ihre heiligen Stätten vermuten. In den Europäern kocht (sofern in Europäern überhaupt noch etwas kochen kann) ein ohnmächtiger Zorn über die Besatzer ... und nun kommt so ein "dreckiges iranisches Käseblatt" daher und karikiert den Papst beim Analverkehr (Hallo Oslo! ;) ). Ich nehme mal stark an, das auch in Europa dann nicht nur höflich geschmunzelt würde.


    Terror nicht tolerieren, aber die Ursachen verstehen und beseitigen ist wohl eher angebracht, denke ich.

    Sieger Fanclubturnier ESA 2006


    Vizemeister Fanclubturnier ESA 2007


    Teamchef Fanclubturnier ESA 2008 :P

  • Zitat

    Original von HVS-SR
    Was da abgeht, gehört zum üblichen Ritual der Fundamentalisten. Da werden ein paar Bergbauern in die Städte gekarrt und dann wird demonstriert. Lief im Iran genauso ab und scheint auch dort wieder in Mode zu kommen.


    kleine info am rande. als die ayathollahs gegen den schah demonstrierten, da - oh überraschung - lieferte die cia die nötige logistik zum "herankarren der bergbauern". ;)

  • Zitat

    Original von michel b.
    Mein Gott, was für ein Theater wegen Karikaturen. Wenn sich jeder Katkolik derart aufspielen würde, wenn der Papst lächerlich gemacht wird [...] In unsereren Breiten tun wir dies aber nicht, weil wir mit unserem Glauben souveräner umgehen.


    Guck mal hier oder hier oder hier - keine weiteren Fragen, denke ich.
    Ausgerechnet die römische Kirche als Muster an Toleranz und Souveränität hinstellen zu wollen ist ein ganz, ganz mauer Witz. Außerdem hinkt der Vergleich zwischen Papst und Prophet reichlich. Selbst der blasierteste Papst würde sich das nicht anmassen. Die Souveränität und Toleranz von der Du hier redest (die im Übrigen in diesem Land für Muslime nur bedingt gilt, wenn man mal genauer hinsieht), verdanken wir nicht den Segnungen der ach so toleranten römischen Kirche, sondern den geistigen Leistungen von Menschen wie Voltaire, Kant u.s.w., die zum guten Teil erklärte Gegner der Kirche waren - Stichwort Aufklärung.


    Und im übrigen gibt es in "unseren Breiten" zum Glück nicht "unseren Glauben". Ich zum Beispiel glaube vermutlich an etwas ganz anderes als Du. Mein Vater wiederum ist eigentlich ein völlig sakulärer Mensch, im Grunde Atheist, hat sich aber als geborener Katholik die Freiheit genommen, aus bestimmten privaten Gründen zum -Achtung- Islam zu konvertieren (Vom Regen in die Traufe, aus der Nummer kommt er so einfach aber nicht mehr raus :D ). Dass das alles sein kann und darf, verdanken wir Voltaire, Kant und Co. - und ich jedenfalls bin sehr froh darum.


    Zitat

    Original von michel b.
    Der Vorwurf, diese Bilder wären Blasphemie, also Gotteslästerung, trifft meines Erachtens nicht zu. Schließlich ist Allah der Gott des Islams und nicht Mohammed, der ist Prophet.


    Nebenbei gesagt ist Allah nicht der Gott des Islam, sondern der Gott aller Anhänger einer der drei "Buchreligionen". Auch bekannt als Gott, Gtt, Jhw, etc. Der "Blasphemieparagraph" in Dänemark verbietet außerdem das verspotten oder verhöhnen einer Glaubenslehre. Das dürfte wohl gegeben sein.


    Zitat

    Original von michel b.
    Ich habe einen Bericht gesehen, in dem Karikaturen arabischer Zeitungen gezeigt wurden, diese sind oft übelst antisemitisch (etwa wie im "Stürmer") . Wo bleibt da der Respekt gegen andere Religionen?
    Wenn der Westen hier einknickt und seine Werte wie Pressefreiheit relativiert, werden wir in einigen Jahren vom Islam regiert.


    Ich habe diese Karikaturen auch gesehen. Die sind plump, dumm, hässlich und propagandistisch, ähnlich wie einige von den Dänischen. Aber sie haben mit dem "Stürmer" absolut nichts gemeinsam. Dem Stürmer ging es um Aufhetzung gegen eine weitgehend wehrlose und völlig unschuldige Gruppe von Mitmenschen, die als besonders minderwertig verhetzt wurde.


    Der Vergleich mit dem dritten Reich ist in diesem Zusammenhang immer unangebracht, weil ganz einfach falsch. Es geht in dem Konflikt nicht um die Juden als Juden, sondern um einen Staat, wie er sich verhält, und ob er überhaupt dort existieren darf. Diese Frage stellt sich für den Westen zwar nicht, für die Araber aber weiterhin sehr wohl.


    In den saudischen Karikaturen geht es um die Frage, wie ein Staat mit seinen Bewohnern umgeht, bzw. mit den Bewohnern von Gebieten, die er mit Krieg überzogen und anschliessend besetzt hat und hält (Heute mal nur ein klitzekleiner Hinweis auf die Resolution 242). Das ist, wie wir alle wissen, ein weites Feld, aber natürlich auch in dem aktuellen Problem ein Schlüssel zur Lösung.



    Man kann auch weiter Steaks essen, lieber Helge, aber man muss einen Hindu (nicht alle Inder sind Hindi), nicht ins Schlachthaus einladen oder ihm Bilder von getöteten Kühen zeigen. Im Übrigen ist im Hinduismus die Kuh heilig, nicht aber der Bulle oder der Ochse... man muss nur das richtige Steak kaufen.


    Diese ganze Sache ist einfach eine Frage des Respekts. Wie viel Respekt bringt der sakuläre Westen gegenüber der sog. "Islamischen Welt" auf ? Und im Falle dieser Zeichnungen fühlt sich der "gemeine Moslem" in seiner seit dem 11.9.2001 deutlich gefühlten Annahme, dass das nicht allzuviel ist, bestätigt. Natürlich sind die gewalttätigen Ausschreitungen dort vor allem auf den Einfluss von extremistischen Aufwieglern zurückzuführen, die sich das Ganze eiskalt und lächelnd politisch zu Nutze machen wollen.


    Aber brandgefährlich ist es, jetzt den hier lebenden Muslimen, die sich m.W. bisher eigentlich ganz friedlich verhalten, den Schwarzen Peter zuschieben zu wollen, wie es der Herr in BaWü versucht, und sie in Kollektivhaftung für das Fehlverhalten ihrer "Glaubensbrüder" (auch ein eigentlich völlig falscher Begriff, denn es gibt im Islam mindestens soviele Glaubensrichtungen wie im Christentum) nehmen zu wollen.


    Wir hier müssen uns vielmehr langsam mal darum bemühen, denjenigen Menschen, die sich bisher schwer getan haben, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren (das sind bei weitem nicht nur Muslime), diesbezüglich unter die Arme zu greifen bzw. ihnen dabei zu helfen. Die Forderung, jeden fünften Moslem ausweisen zu wollen, hilft dabei nicht viel.

  • Die Geschichte der katholischen Kirche kenne ich genauso wie du. Inquisition, Kreuzzüge, Hexenverbrennung, nur es ist Geschichte. Das was momentan von radikalen Gruppierungen des Islams abgezogen wird, geschieht in der Gegenwart. Oder, darf mann dann deiner Meinung nach behaupten, der Islam ist halt ein paar Jahrhunderte rückständiger als der Westen. :D
    Wenn der Vergleich Papst-Mohammed hinkt, dann muss ich dir sagen, dass auch Jesus in westlichen Medien verspottet wird, ohne dass es zu deratigen Tumulten führt.
    Für mich ist die Frage, wieviel Respekt bringen manche Muslime dem Westen gegenüber? Es ist doch wohl sehr viel einfacher, eine Moschee in Deutschland zu bauen (geschieht glaube ich gerade in Duisburg) als eine katholische Kirche in Teheran. Priester dürfen z.B.offiziell in der Türke inicht tätig werden, sie werden als Botschaftsangehörige geführt. Wenn ich Respekt für den islamischen Glauben einfordere, dann muss ihn dieser auch den anderen Religionen gegenüber zeigen. In Sachen Religionsfreiheit sieht es aber in den meisten islamischen Ländern sehr schlecht aus.
    Und zum Thema Einbürgerung: Es ist falsch, dass man Muslime unter Generalverdacht stellt. Richtig ist aber meines Erachtens, dass man Leute nicht einbürgert, die diese Ehrenmorde (was für ein Begriff) befürworten oder die jungen Frauen verwehren wollen, so zu leben wie ihre gleichaltrigen, nichtmuslimischen Freundinen.

    Mit jedem wag ichs, dem ich kann ins Auge fassen.


  • quelle: [URL=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,399471,00.html]spiegel.de[/URL]


    :nein:

  • Zitat

    Original von michel b.
    Die Geschichte der katholischen Kirche kenne ich genauso wie du. Inquisition, Kreuzzüge, Hexenverbrennung, nur es ist Geschichte.


    Ja-ha. Es ist genau deswegen Geschichte, weil sich irgendwann Staatsmänner gefunden haben, die dem Einhalt geboten haben und die heutige Gesellschaft es nicht mehr zulässt. Es ist aber nicht Geschichte, weil die römische Kirche von sich aus einsichtig geworden wäre.


    Zitat

    Original von michel b.
    Das was momentan von radikalen Gruppierungen des Islams abgezogen wird, geschieht in der Gegenwart. Oder, darf mann dann deiner Meinung nach behaupten, der Islam ist halt ein paar Jahrhunderte rückständiger als der Westen. :D


    Jedenfalls ist er 632 Jahre jünger als das Christentum. Und setze doch das Christentum nicht immer mit der westlich-liberalen Gesellschaft gleich, das ist nicht das Gleiche. Es ist vielmehr ein Widerspruch.


    Zitat

    Original von michel b.
    Es ist doch wohl sehr viel einfacher, eine Moschee in Deutschland zu bauen (geschieht glaube ich gerade in Duisburg) als eine katholische Kirche in Teheran. [...] In Sachen Religionsfreiheit sieht es aber in den meisten islamischen Ländern sehr schlecht aus.


    Das macht ja gerade den Unterschied. Ich weiss nicht, was daran verkehrt sein soll, dass es in Deutschland einfach ist, eine Moschee zu bauen (ganz so einfach ist es wohl auch nicht). Oder wäre es dir lieber, wir würden in einer absolutistischen Theokratie leben wie Iran eine ist? In meiner Heimatstadt Duisburg leben über den Daumen etwa 50.000 Muslime. Warum sollen die bitte schön kein Gotteshaus haben dürfen? Es gibt doch auch zig Kirchen dort. Nochmal : Deutschland ist kein christlicher Staat, sondern es herrscht Freiheit in der Religionsausübung. Dazu gehört auch das Errichten und Unterhalten von Gotteshäusern anderer Religionen. Und Glockenläuten nervt auch nicht weniger als Muezzinrufe. :)


    Zitat

    Original von michel b.
    Und zum Thema Einbürgerung: Es ist falsch, dass man Muslime unter Generalverdacht stellt. Richtig ist aber meines Erachtens, dass man Leute nicht einbürgert, die diese Ehrenmorde (was für ein Begriff) befürworten oder die jungen Frauen verwehren wollen, so zu leben wie ihre gleichaltrigen, nichtmuslimischen Freundinen.


    Ja das stimmt soweit, bloss werden diese Leute ihre Ansichten bei dem Einbürgerungsverfahren wohl kaum offen darlegen. Und weil es eventuell sein könnte, dass jemand eine bestimmte Einstellung hat, kann man ihm ja nicht die Einbürgerung verweigern.

  • Ich glaube insgesamt sind wir gar nicht so weit auseinander. Im Prinzip steige ich aus der Diskussion aus, weil glaube ich die wesentlichen Argumente getauscht sind.

    Mit jedem wag ichs, dem ich kann ins Auge fassen.

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