Schutz des Torhüters im 6m-Raum

  • Ich nehme das letzte Spiel des Dessauer HV gegen den ASV Hamm und die Verletzung des Torhüters durch den beim Konter in den Kreis springenden Angreifer zum Anlass, um von den Regelkunde-Profis erklärt zu bekommen, warum dies nicht bestraft wird.

    Hintergrund war, dass in der ca. 24. Minute nach Ballverlust und Konter der Angreifer beim Wurf tief in den Kreis springt und beim Landen auf den faktisch stehenden Torhüter prallt. In diesem speziellen Fall war es dann auch das Knie, was den ersten Kontakt abbekam und in der Folge nicht nur für den Spielausfall des Keepers, sondern auch für eine stärkere Verletzung sorgte.

    Meine Frage ist nun: Wenn der Keeper bspw. ohne Beeinträchtigung den Ball vom Gegner ins Gesicht bekommt, dann sind das 2 Minuten. Wenn er selbst beim Konter rausläuft und mit dem Angreifer zusammenprallt, ist es unter Umständen rot. Wenn er aber in seinem 6m-Raum auf diese Weise "attackiert" wird, ohne dem Gegner deutlich entgegen zu springen o.ä., passiert nichts?

    "Die Magdeburger Börde ist der Olymp des europäischen Vereinshandballs!" Uwe Semrau

  • iceman-md

    Hat den Titel des Themas von „Schutz des Torhüters vor in den Kreis springenden Angreifern“ zu „Schutz des Torhüters im 6m-Raum“ geändert.
  • Sehr schwieriges Thema, das nicht klar im Regelwerk beschrieben ist. Betrifft ja genauso die Frage, was passiert, wenn der Keeper mit einem Kick zur Ballabwehr beispielsweise den Außen verletzt.

  • Da gibt das Regelwerk nichts her. Hat der Angreifer etwas regelwidriges getan? Nein, er darf in den Kreis springen, um ein Tor zu werfen. Kopftreffer ist regeltechnisch verankert und der TW darf seinen Gegenspieler bei der Abwehr auch nicht gefährden, z.B. Knie anwinkeln oder mit beiden Füßen voraus in Richtung Kreisläufer, aber der Rest fällt unter sporttypisches Risiko. Solange da nichts anderes geregelt wird, ist da nix mit Strafe.

    Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen. (George Orwell)

  • Da gibt das Regelwerk nichts her. Hat der Angreifer etwas regelwidriges getan? Nein, er darf in den Kreis springen, um ein Tor zu werfen. [...]

    Das Regelwerk gäbe einiges her, denn Regel 8 gilt nicht nur für Abwehrspieler, sondern für jeden Spieler auf dem Feld.

    Zitat

    Regel 8:2: Regelwidrigkeiten, die normalerweise nicht zu persönlichen Strafen führen (beachte jedoch die Beurteilungskriterien 8:3a-d)


    Es ist nicht erlaubt:

    [...] d) in den Gegenspieler hineinzurennen oder -springen.

  • Das ist richtig, Acrosh, aber es ist kein scharfes Schwert, sondern hat viel Interpretationsspielraum. Ging der Torhüter dem Werfer überraschend spät und schnell entgegen? War seine Ballabwehr zu aggressiv? Es ist definitiv nicht so klar geregelt wie im Fußball, wo der 5m-Raum dem Torhüter gehört und dieser dezidiert geschützt wird.

    Eine Bestrafung für den Werfer wegen eines Torhüter Zusammenstoßes beim Handball habe ich darüber hinaus wirklich noch nie gesehen. Eine Bestrafung für den Torhüter wegen gefährlichen Spiels schon ein paar Mal, aber sehr selten.

    Die Praxis zeigt also, dass es alles andere als trennscharf geregelt ist.

  • Das ist richtig, Acrosh, aber es ist kein scharfes Schwert, sondern hat viel Interpretationsspielraum. Ging der Torhüter dem Werfer überraschend spät und schnell entgegen? War seine Ballabwehr zu aggressiv? Es ist definitiv nicht so klar geregelt wie im Fußball, wo der 5m-Raum dem Torhüter gehört und dieser dezidiert geschützt wird.

    Eine Bestrafung für den Werfer wegen eines Torhüter Zusammenstoßes beim Handball habe ich darüber hinaus wirklich noch nie gesehen. Eine Bestrafung für den Torhüter wegen gefährlichen Spiels schon ein paar Mal, aber sehr selten.

    Die Praxis zeigt also, dass es alles andere als trennscharf geregelt ist.

    Damit hast du recht. Ich befürchte nur, dass es unmöglich ist, dies trennscharf zu definieren. Aber dieser Fall ist sehr auf der weißen Seite, d.h. man hätte hier auf Stürmerfoul entscheiden und auch progressiv bestrafen können.

  • Mir hat mal (ohne Regelnummern) ein SR Wart sinngemäß gesagt: Wenn einer von beiden unnatürliche Bewegungen macht (Bein/Arm vorstrecken oder der Angreifer ein Knie angezogen hat oder der Angreifer den Torwart "umspringt" um das freie Tor zu haben) pfeiffe es ab. Wenn der Torwart nicht den Ball abwehren will, sondern nur den Angreifer angeht pfeiffe es ab (wenns kein Tor wird). Nach Art des Fouls kannst du anschließend noch ggf. den Angreifer bzw. den Torwart progressiv bestrafen.

    Es ist also, wie bei so vielen SR Entscheidungen, eine Ermessensfrage und auch vom Finerspitzengefühl abhängig.

  • Es hätte mich auch gewundert, wenn es keine Definition im Regelwerk gegeben hätte, dass das Anspringen des Gegenspielers straffrei bleibt. Eine Definition des 6m-Raums als "Torhüterbereich" (danke für den entsprechenden Querverweis zum Fußball) scheint hingegen nicht zu existieren.


    Für mein Verständnis sollte es doch ein ähnlicher Vorgang sein wie die Beurteilung eines Stürmerfouls im Feld. In diesem von mir zitierten Fall bewegte sich der Torhüter räumlich nicht von seiner Position, benutzte natürlich aber zur Abwehr des Balles beide Arme und ein Bein. Reicht das dann schon, um das klassisch definierte Stürmerfoul nicht mehr zu bekommen? Und ist es dann nach aktuellem Stand "Pech", wenn du dann vom Angreifer umgesprungen wirst?

    "Die Magdeburger Börde ist der Olymp des europäischen Vereinshandballs!" Uwe Semrau

  • Der naheliegende Vergleich ist sicherlich die Stürmerfoul-Situation zwischen zwei Feldspielern. Aber der Wurf selbst erfolgt deutlich vor dem Kontakt und erst nachdem der Ball im Tor ist rutscht der Spieler aufgrund des eigenen Schwungs in den Gegenspieler hinein. Ich denke dies würde auch zwischen zwei Feldspielern nur selten als Stürmerfoul ausgelegt werden.



    Gleichzeitig empfinde ich persönlich hier ein Ungleichgewicht im Regelwerk. Seit der Regeländerung im Jahr 2010 gilt für die Torhüter in Regel 8:5 eine besondere Sorgfaltspflicht gegenüber dem Gegenstoß-laufenden Spieler, denn nur der Torwart könne diese gefährliche Situation überblicken und Zusammenstöße vermeiden.

    Analog dazu sollte dem Torwart innerhalb des Torraums ein besonderer Schutz gewährt werden, wenn er mit einer Torwart-typischen Bewegung versucht den Wurf abzuwehren. Hier wäre eine Sorgfaltspflicht des Feldspielers angebracht, denn im Gegenstoß kann nur der Feldspieler seine Bewegung auf den Torwart zu überblicken und den Zusammenstoß vermeiden.


    Die allermeisten Feldspieler suchen beim Tempogegenstoß ganz bewusst einen Lauf- und Sprungweg der nicht direkt auf den Torwart führt, da dies ihre möglichen Wurfvarianten einschränkt und der Körperkontakt auch ihre eigene Gesundheit gefährdet. Aber ab und an gibt es leider doch diese Spielsituationen wie in Hamm und da wäre eine Regeländerung zum Schutz der Torhüter analog zu der von 2010 vielleicht nicht verkehrt.

  • Besten Dank für deine fundierten Äusserungen, da gehe ich gern mit. :thumbup:

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  • Jetzt noch eine Regelklarstellung/änderung für wieder eine einzelne Spielsituation?


    Man ist als SR doch jetzt schon genug am überlegen, ob es für eine Spielsituation eine besondere Auslegung gibt, man guckt ja nur noch, ob eine bestimmte Situation vorliegt, die einer bestimmten Regel unterliegt. Kopftreffer TW direkt oder indirekt, Angreifer frei oder in Bedrängnis, tatsächlicher Kontakt oder Theatralik, leeres Tor oder nicht, Korridor beim Anwurf gekreuzt oder nicht, und und und...


    Durch diese ganzen kleinteiligen Regelungen wird das Spiel immer schwerer nachvollziehbar, da tut sich der Handball keinen Gefallen mit.

    Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen. (George Orwell)

  • Jetzt noch eine Regelklarstellung/änderung für wieder eine einzelne Spielsituation?


    Man ist als SR doch jetzt schon genug am überlegen, ob es für eine Spielsituation eine besondere Auslegung gibt, man guckt ja nur noch, ob eine bestimmte Situation vorliegt, die einer bestimmten Regel unterliegt. Kopftreffer TW direkt oder indirekt, Angreifer frei oder in Bedrängnis, tatsächlicher Kontakt oder Theatralik, leeres Tor oder nicht, Korridor beim Anwurf gekreuzt oder nicht, und und und...


    Durch diese ganzen kleinteiligen Regelungen wird das Spiel immer schwerer nachvollziehbar, da tut sich der Handball keinen Gefallen mit.

    So wie ich das sehe braucht man keine weitere Regel. Die jetzigen Regeln müssten nur angewandt werden.

  • Der naheliegende Vergleich ist sicherlich die Stürmerfoul-Situation zwischen zwei Feldspielern. Aber der Wurf selbst erfolgt deutlich vor dem Kontakt und erst nachdem der Ball im Tor ist rutscht der Spieler aufgrund des eigenen Schwungs in den Gegenspieler hinein. Ich denke dies würde auch zwischen zwei Feldspielern nur selten als Stürmerfoul ausgelegt werden.

    Grundsätzlich gehe ich bei Deinen Ausführungen mit. Ich sehe allerdings das Problem, dass ja der Torhüter einen gänzlich anderen Bewegungsablauf hat bei der Torabwehr, als das der Abwehrspieler hat. Ich hatte zu meiner aktiven Zeit auch hin und wieder einige Zeitgenossen die meinten, mit dem Ball zusammen ins Tor springen zu wollen. Wenn Du dich dort "todesmutig" in den Weg gestellt hast, bist du einfach abgeräumt worden. Da war es dann eben nicht so, dass der Wurf deutlich vor dem Kontakt aufs Tor kam. Vielmehr war es der bewusste Versuch des Werfers eine sinnvolle Abwehrreaktion des Torhüters durch besonders weites Reinspringen zu unterbinden.
    Leider hat die Erfahrung gezeigt, dass die SR i.d.R. mit dieser Situation überfordert waren. Von Foulspiel des TW, über Stürmerfoul (eher selten) bis hin zu gar keiner Reaktion war da alles mit dabei. Die Regeln würden es ja hergeben auf Stürmerfoul zu entscheiden, jedoch müsste dann vielleicht nochmal klargestellt werden, welche Abwehrreaktion dem TW in diesem Fall zugestanden wird.

  • So wie ich das sehe braucht man keine weitere Regel. Die jetzigen Regeln müssten nur angewandt werden.

    Das gilt für viele andere Regeln auch. Problem: Manche Regeln sollen gar nicht angewendet werden !

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  • ... Wenn Du dich dort "todesmutig" in den Weg gestellt hast, bist du einfach abgeräumt worden. Da war es dann eben nicht so, dass der Wurf deutlich vor dem Kontakt aufs Tor kam...

    Aktuell gibt es leider nur die Möglichkeit hier auf das Stürmerfoul zu entscheiden. Wichtig ist hier nur noch ergänzend, das nicht Verlassen des Balles der Hand entscheidet ob auf Stürmerfoul zu entscheiden ist, sonderern der Zeitpunkt an dem der Ball die Torlinie überschreitet. Sofern der Ball dies nicht getan hat kann ohne Probleme auf Stürmerfoul entschieden werden.


    Zum obigen, wenn du dich bewusst entgegenstellst ist für dich hier der Kontakt nicht so schlimm weil du dich darauf Einstellen kannst und dadurch auch schon anderst stehst wie wenn du ohne Vorwarnung umgehüpft wirst.


    Bei manchen TW seh ich hin und wieder auch, dass diese solchen Kandidaten dementsprechend auch entgegegnkommen, mnache leernen aus solch Situationen dann das sie den TW eben nicht umhüpfen.

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