Das hier, hört sich zu mindest anders an als EXPRESS:
Interview mit Gummersbach-Coach
„Es gibt immer einen Weg nach oben“
Von UIrich Klein, 02.09.09, 22:05h
Unter den Vorzeichen eines 20-prozentigen Gehaltsverzichts gehen die Handballer des VfL Gummersbach in die Saison. Vor dem Auftakt am Samstag gegen Düsseldorf sprach Ulrich Klein mit VfL-Trainer Sead Hasanefendic.
Herr Hasanefendic, Ihre Spieler sollen als Folge der Finanzkrise künftig auf 20 Prozent ihres Gehaltes verzichten, um Kosten zu reduzieren. Nicht gerade ein Appetitanreger für Sie und Ihr Team . .
Natürlich hatte ich mir alles ganz anders vorgestellt. Gerade vor dem Hintergrund, dass wir erst im Juni einen Europapokalsieg feiern konnten und zudem im deutschen Pokalfinale standen. Aber irgendwie ist alles verpufft. Statt einer grundsätzlichen Verbesserung der Situation ist alles schwieriger geworden. Dabei haben wir sogar noch hochwertige Spieler verkauft.
Es macht also keinen Spaß mehr?
Keineswegs. Es macht sogar sehr viel Spaß, meine Jungs sind mit Feuereifer bei der Sache - im Training und im Spiel sowieso. Zudem habe ich in der Vergangenheit häufig mit jungen Spielern gearbeitet und diese entwickelt. Einige sind sogar Nationalspieler geworden und noch andere mit einer besonderen Begabung sind später sogar in die Weltauswahl berufen worden. Die aktuelle Aufgabe ist also nichts Neues für mich. Ich kann mich mit der Situation und dem VfL sehr gut identifizieren.
Und dennoch: Sie haben in der Vergangenheit meistens Spitzenteams trainiert. Diese Perspektive gibt es dieses Mal aller Wahrscheinlichkeit nach nicht . . .
Das stimmt. Wir haben mit Nandor Fazekas, Alexis Alvanos und vor allem Momir Ilic drei Klassespieler verloren. Ilic beispielsweise spielt beim THW Kiel bärenstark und ist bei hochkarätig besetzten Vorbereitungsturnieren des THW einmal als bester Spieler und einmal als bester Torschütze ausgezeichnet worden. Da haben wir schon eine Menge Qualität verloren, die wir - durch zugegebenermaßen sehr talentierte Jungs - ersetzen müssen.
Und wie klappt es bisher mit dem neuen Jugendstil?
Ich bin sehr zufrieden, wie wir uns präsentiert haben. So haben wir von fünf Vorbereitungsturnieren immerhin drei gewonnen und uns auch bei den beiden anderen gut bis sehr gut verkauft, denn bei unseren Gegnern handelte es sich fast immer um Mannschaften, die von der Papierform auf Augenhöhe oder sogar stärker als wir sind. Generell heißt es, aus der jeweiligen Situation das jeweilige Maximum herauszuholen.
Und das hat das junge Team bisher umgesetzt?
Nicht nur die jungen Leute wie zum Beispiel Steffen Fäth mit seiner Explosivität oder Zarko Markovic mit seiner Wurfkraft haben bisher einen positiven Eindruck hinterlassen. Auch die Arrivierten. Stojanovic, Zrnic, Gunnarsson und auch die anderen Routiniers wissen, dass sie mehr Verantwortung übernehmen müssen und haben diese Rolle angenommen. Dazu kommen Spieler wie Adrian Pfahl, der sich zuletzt sehr gut entwickelt hat oder Audray Tuzolana. „Tuzo“ hatte schon immer ein Riesenpotenzial. Er hatte aber eben auch die eine oder andere Sache zu locker genommen. Nun scheint er endlich begriffen zu haben, dass man in der Bundesliga nur mit konzentrierter Arbeit weiter kommt. Entsprechend stark trumpft er jetzt auf. Er ist quasi ein Neuzugang
Klingt in der Summe trotz aller Turbulenzen gar nicht sooooo schlecht . . .
Stimmt, allerdings müssen alle Geduld haben. Das Team ist talentiert, aber Fans und Umfeld müssen sich darüber im Klaren sein, dass wir in einer Bundesliga-Partie nie Favorit sein werden, dass es für uns im Normalfall keine leichten Gegner gibt und wir immer kämpfen müssen. Zudem müssen wir wahrscheinlich auch spielerisch meistens an unser oberes Limit gehen, wenn wir punkten wollen.
Diese Vorgaben sind über eine komplette Saison für das neue Team doch nicht durchzuhalten. Es wird Rückschläge geben . . .
Diese Spekulation ist nicht von der Hand zu weisen. Die Frage ist halt nur, wie man dann damit umgeht: Man muss auch in schwieriger Lage positiv denken und handeln können. Denn es gibt immer einen Weg nach oben. Grundsätzlich gehe ich aber davon aus, dass es eine schwere Saison für uns wird.
Ist das auch die grundsätzliche Zukunftsperspektive des VfL?
Meine Vision sieht anders aus. Wir müssen in näherer Zukunft die Basis für später legen. Das heißt: Wenn in zwei oder drei Jahren in Gummersbach die neue Halle kommt, und die muss kommen, müssen wir über eine starke Mannschaft verfügen, die diese Halle auch füllen kann - um genau zu sein: die genügend Fans anlocken kann. Und dafür sehe ich uns sportlich in einer durchaus guten Ausgangsposition. Nach dieser Übergangsperiode werden die heute 19-Jährigen nämlich 22 sein und entsprechend an Qualitäten dazu gewonnen haben. Dann könnten wir auch wieder weiter oben angreifen. Es geht darum, mit kleinen Schritten große Ziele zu erreichen.
Am Samstag geht es erst mal wieder in der Bundesliga los. Ihre Erwartungen für das Spiel gegen Düsseldorf und die dann folgenden Aufgaben?
Ich hoffe zunächst einmal, dass es im Zuge der Gehälterdebatten nicht noch weitere Abgänge bei uns geben wird, und bin da nach Gesprächen auch zuversichtlich. Ansonsten müssen wir sowohl gegen Düsseldorf als auch in den folgenden Spielen in Wetzlar und gegen Nettelstedt schon allein aus psychologischen Gründen punkten. Denn erfahrungsgemäß wird am Anfang der Saison schon die Richtung für die gesamte Spielzeit vorgegeben. Zudem glaube ich, dass wir schon in der Rückrunde stabiler sein werden und vielleicht ist dann ja auch die finanzielle Situation etwas verbessert.
Ist allerdings auch von gestern, am späten abend. Und es ist durchaus nicht auszuschließen, dass er nicht alles weiß.